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Wie Sie im Verlauf dieser Vorlesung bereits öfter gehört haben, kann eine eindimensionale Sichtweise auf einen so komplexen Prozess wie jenen der Kommunikation – vor allem jenen der audiovisuellen Kommunikation – nur zu kurz greifen, um ein adäquates Verständnis desselben zu erlangen.
Stellen Analysen der Produkte selbst sowie Analysen von Wahrnehmungs- und Umgangsweisen von Rezipienten maßgebliche Bedingungen für das Verstehen um audiovisuelle Medien dar, so darf darüber hinaus jedoch der dritte entscheidende Faktor, der im Kontext der AV-Kommunikation eine bedeutende Rolle spielt, nicht vergessen werden – die Produktion audiovisueller Medien. Und um genau diesen Prozess, diese Ebene der Produktion und ihre spezifischen Bedingungen und Einflussfaktoren soll es in der heutigen Vorlesung gehen.
Struktur des Vortrags:
Begriffsbestimmung: Film- und Fernsehproduktion
Der Produktionsverlauf bei Film und Fernsehen
Unterschiedliche Ebenen der AV-Produktion – unterschiedliche Produktionsbedingungen (spezifisches Eingehen dabei dann die Einflussfaktoren Technik, Ökonomie, Politik und Gesellschaft)
Aktuelle Veränderungen in der AV-Produktion
Da sich der AV-Begriff auf unterschiedliche Medien bezieht – Film, Fernsehen, Radio und immer häufiger auch die Schnittstellen, die diese Medien zu anderen, den sogenannten „neuen“ Medien aufweisen – ist es schwierig einen spezifischen, jedoch allgemeingültigen Definitionsbegriff für die Produktion audiovisueller Medien zu fassen.
Da wir uns im Fachbereich Kommunikationswissenschaft befinden, unsere Herangehensweise an Audiovision und deren Spezifika demnach eine kommunikationswissenschaftliche ist, d.h. die öffentliche, massenmediale Kommunikation im Vordergrund des Interesses steht, sollen im Folgenden speziell die Dimensionen der Film- und Fernsehproduktion behandelt werden. Das Radio wird hier bewusst ausgeklammert (Es ist zwar ein öffentliches Massenmedium, doch ausschließlich auditiven Charakters – die visuelle Komponente fehlt).
Film- und Fernsehproduktion - Begriffserläuterungen
Unter Filmproduktion wird ganz allgemein die singuläre, nicht jederzeit reproduzierbare geistig kreative sowie physisch handwerkliche Leistung zur Herstellung und Verarbeitung eines filmischen Werkes verstanden (vgl. Gaintanides 2001, S. 20).
Somit sind folgende Elemente dem Filmproduktions-Begriff zuzuordnen: Erarbeitung einer Filmidee und eines Drehbuchs; finanzielle, rechtliche, personelle und organisatorische Kalkulationen; Planung und Durchführung der Dreharbeiten und Nachbearbeitung des Filmmaterials.
Letztendlich wird auch noch der Vermarktungsaspekt entsprechend einer weit gefassten allgemeinen Definition von Produktion dem filmischen Produktionsprozess zugeordnet. Dies vor allem auch deshalb, weil die Vermarktung und Distribution von audiovisuellen Werken vor allem im Zuge der Globalisierung und Internationalisierung von Medienprodukten einen immer bedeutenderen Stellenwert für den tatsächlichen medialen Produktionsprozess einnimmt – denn bei vielen Werken wird vorab bereits festgelegt bzw. überlegt wie weit die Verwertung und Distribution gehen soll bzw. muss (regional, national, international), um kommerziell erfolgreich zu sein. Inhalt und Form eines Werkes, aber auch die Höhe des Produktionsbudgets werden damit etwa von der angestrebten bzw. geplanten Verwertungsstrategie beeinflusst.
Fernsehproduktion: Die Fernsehproduktion geht über die Definition der Filmproduktion dahingehend hinaus, da sie neben der geistig kreativen, physisch handwerklichen und organisatorischen Leistung zur Erstellung von Fernsehfilmen, Fernsehserien und sonstiger Fernsehproduktionen, auch die Konzeption und Produktion von Programmen einschließt. Zu dieser gehören unter anderem „der Rechtehandel, die Bearbeitung erworbener Produktionen, die Distribution, sei es terrestrisch, über Kabel oder Satellit sowie die Nutzbarmachung in nachgelagerten Märkten [wie etwa das Merchandising]“ (Kleist 1999, S. 42).
Bei der Herstellung audiovisueller Werke muss grundsätzlich zwischen der Produktion von Einzelwerken und der Produktion von Programmen unterschieden werden. Der Produktionsverlauf nimmt je nach Werkseigenheiten bzw. -funktionen und die darauf einwirkenden Bedingungen – zu denen wir später noch kommen – unterschiedliche Richtungen, hat demgemäß auch variierende Mitarbeiterstäbe zu verzeichnen und lässt voneinander abweichende Arbeitsschritte erkennen.
Grundsätzlich kann jedoch zu allen Produktionsprozessen im audiovisuellen Sektor angeführt werden, dass sie mehrschichtig und stark arbeitsteilig strukturiert sind, in denen ein Produzent – ob nun Einzelwerk- oder Programmproduzent – „bestimmte künstlerische und filmhandwerkliche Arbeitsqualifikationen zusammenführt“ (Seufert 2002, S. 51). Die Herstellung audiovisueller Werke ist somit eine kollektive Kunst, die Kommunikation, Visualisierung und Organisation in sich vereint (vgl. Ohanian/Phillips 2001, S. 29).
Die Produktion von Einzelwerken[2]
Die Erstellung eines audiovisuellen Einzelwerkes kann grob in vier Phasen eingeteilt werden:
a) Die Planung (oder Vorproduktion) beinhaltet alle Arbeitsschritte bis zum ersten Drehtag: dazu zählen unter anderem
die Idee für eine Geschichte und die daraus erstellten Exposès, Treatments und Drehbücher (je nach Gattung und Zeitbudget genügen für unterschiedliche Projekte unterschiedlich ausgereifte und für die filmische Übersetzung ausgearbeitete Geschichtenvorlagen. So gibt es beim Spielfilm ein ausgereiftes Drehbuch – meist mehrere Fassungen –, während kurze Informationssendungen fürs Fernsehen ohne Drehbuch auskommen müssen, da die Drehbuchkonzipierung zu zeitaufwendig wäre);
die Beschaffung des Produktionskapitals bzw. bei Fernsehbeitragserstellungen die Aushandlungen über die Höhe des Produktionskapitals;
die Wahl und die Rekrutierung der Künstler vor und hinter der Kamera;
mitunter die Ausarbeitung des Drehbuchs und daraus die Erstellung eines Drehplans (wie bereits erwähnt geschieht dies jedoch nicht bei allen Formaten – tagesaktuelle Beiträge für das Fernsehen verzichten etwa auf Drehbücher und -pläne);
mitunter die Erstellung von Kostenkalkulationen mit Rückfluss- und Tilgungsplänen;
mitunter die Erstellung von Gesamt-Produktionsplänen, Tages-Drehplänen (sogenannten Tagesdispositionen) etc.
b) die Produktion bezeichnet die Zeit der Aufnahme – also die Phase vom ersten bis zum letzten Drehtag
c) die Nachbearbeitung (oder Postproduktion) bezeichnet den Schnitt und die Zusammen- bzw. Fertigstellung des gefilmten Rohmaterials, wozu etwa bei Spielfilmproduktionen unter anderem folgende Arbeitsschritte gehören:
die „grobe“ Zusammenführung von Bild und Ton im Rohschnitt (bei Spielfilmen vom Cutter erstellt und von Produzent und Regisseur begutachtet und abgenommen);
der anschließende Feinschnitt (durch Regisseur und Cutter). Die Rechte auf den sogenannten „Final Cut“ liegen jedoch im Regelfall nicht beim Regisseur, sondern meist bei Produzenten oder Produktionsstudio „obwohl der Regisseur oft die künstlerische Einflussnahme auf das Endprodukt behalten darf“ (Klimsa/ Krömker 2005, S. 40)
Perfektionierung der Tonspur durch die Tonabteilung;
Erstellung von Spezialeffekten;
Organisatorische Aufgaben wie Vereinbarungen für die Fertigstellung von Ton, Titel, Tricksequenzen etc.
d) die Distribution (Verbreitung in Kinos, im Fernsehen, über Video etc.).
Die ersten drei Phasen betreffen also den tatsächlichen Herstellungsprozess und lassen sich sowohl in Filmproduktionen als auch in der Umsetzung und Herstellung unterschiedlicher Fernsehgattungen und -formate finden. Die jeweiligen Ausgangssituationen, Gattungseigenschaften und Produktionsbedingungen führen jedoch dazu, dass die Arbeitsschritte in den drei Hauptkategorien mitunter stark voneinander abweichen können. Faktoren wie Finanzierung, Zielgruppe, rechtliche Richtlinien, Genrespezifität oder zeitliche Handlungsspielräume spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle.
Produktion von Programmen
Der Planungsprozess von Fernsehprogrammen kann nicht wie jener von Einzelproduktionen in zeitlich logisch aufeinander folgende, einzelne Planungsphasen geteilt werden, sondern ist als Netzwerk sich gegenseitig bedingender und beeinflussender Arbeitsschritte zu verstehen, die oft parallel nebeneinander ablaufen und sich zum Teil mehrmals wiederholen (vgl. Bauder 2002, S. 52).
Produktion von Programmen: Den Ausgangspunkt dieses Planungsprozesses bildet das jeweilige Programm- und Senderprofil, in dessen Kontext die Zielgruppe(n) sowie die Zielsetzungen (Gewinnorientierung versus Gemeinwohlorientierung) der Fernsehanstalten definiert sind.
Nach der Fixierung eines Senderprofils steht die Erarbeitung eines Budgetplans an, denn ohne genaue Kostenkalkulationen und Informationen über Gewinnerträge des abgelaufenen Jahres ist eine realistische Programmplanung unmöglich. Zeitgleich mit der Kostenaufstellung muss jedoch auch schon mit der Arbeit am Programmschema begonnen werden, deren Struktur und Form für die Programmbeschaffung ausschlaggebend sind. Die Programmbeschaffung ist wiederum von den finanziellen Ressourcen der Fernsehanstalt abhängig – man sieht bereits, dass die jeweiligen Schritte bei der Herstellung eines Programms eng miteinander verwoben sind.
Grafisch lassen sich die für die Erstellung eines Programms notwendigen Arbeitsphasen folgendermaßen darstellen (vgl. Holtmann 1999, S. 27):
Die einzelnen Sendungsbeiträge, allen voran Spielfilme und Serien, sind die wichtigsten Rohstoffe für das Fernsehprogramm und nehmen eine herausragende Stellung bei der Konzipierung des Programmschematas, bei der Programmplanung, ein.
Einem Sender bieten sich zwei Möglichkeiten zur Beschaffung von Programmteilen: Entweder produziert er selbst (Eigen- und Koproduktion)[3] bzw. lässt produzieren (Auftragsproduktion) , oder er erwirbt für einen definierten Zeitraum und für eine bestimmte Zahl an Ausstrahlungen Lizenzen an anderen Produktionen (Ankauf) .
Die Entscheidung welche Produktionsform gewählt wird, hängt vom aufgestellten Programm- und Leistungsplan ab. Dieser Leistungsplan, der das Maß der Programmbeschaffung determiniert, gliedert sich in einen „Plan für Eigenproduktion“ und einen „Plan der sonstigen Beschaffungen“ (vgl. Seidel 1993, S. 126).
Der tatsächliche Bedarf an Programmbeschaffungen und die Planung eigener Produktionen sowie sonstiger Beschaffungen ergibt sich schließlich nach Abzug von Wiederholungen, Programmentnahmen aus dem eigenen Archivvorrat und Übernahmen von Sendematerial von anderen Rundfunkunternehmen (vgl. Friedrich 1997, S. 73). Ziel ist es, einen ausreichenden Stock an Programmen zur Verfügung zu haben, ohne jedoch zu viel unverwendetes Material anzuhäufen.
Das Programmschema lässt sich dann in Programmjahr, Programmwoche und Programmtag unterteilen; es weist je nach Zielsetzung und Ausrichtung des Senders unterschiedliche Strukturierungen auf.
Das Programmjahr beinhaltet die generelle und langfristig geplante inhaltliche und formale Zielsetzung des Senders, Erläuterungen zu neuen Formaten, Filmen und Serien, die Einbindung voraussichtlicher Jahreshighlights wie Kino-Kassenschlager, Vorauskalkulationen zu saisonalen Events (z.B. Olympiaden, Wahlen, wichtige Jahrestage etc.) und Feiertagen sowie das grob strukturierte und durchdachte Schema des Programms. (Vgl. Schümchen 2002, S. 78)
Die zentralen Zeiteinheiten stellen jedoch die Programmwoche und der Programmtag dar, da sich darin die wiederkehrenden Programmereignisse abspielen, an denen sich die Zuschauer orientieren (Vgl. ebd., S. 79) Die Wochenkalkulation beinhaltet einerseits die Unterteilung in Werkstage und Wochenende, die Platzierung spezieller Sendungshighlights und Serien-Premieren an einen bestimmten Tag, aber auch die kurzfristigen Programmänderungen aufgrund unvorhergesehener Ereignisse (z.B. Todesfälle oder Hochzeiten berühmter Personen, Katastrophen etc.).
Die tatsächliche Programmdramaturgie findet schließlich in der Schematisierung des Programmtages statt, die sich am Tagesablauf des Durchschnittspublikums orientiert. So ist der Fernsehtag in mehrere Phasen wie etwa den Vorabend, die Primetime und die „Non-Primetime“ unterteilt, und wird entsprechend den Erkenntnissen aus der Fernsehforschung inhaltlich gestaltet (vgl. ebd.).
Audiovisuelle Medien bilden eine Schnittstelle zwischen den Bereichen Kultur, Politik und Recht sowie Wirtschaft und Spitzentechnologie. Durch diese Kreuzstellung zu so vielen unterschiedlichen Aktionsräumen werden die Herstellung audiovisueller Werke und die damit verbundenen Arbeitsschritte zwangsläufig durch zahlreichen Produktionsbedingungen und Einflussfaktoren geprägt. AV-Produktion geschieht demnach – zieht man die Bourdieu’sche Feldtheorie heran – in einem von unterschiedlichen Determinanten beherrschten Feld.
Die jeweiligen Raumparameter wirken hier nicht nur auf den Herstellungsprozess ein und haben damit Einfluss auf das entstehende Produkt, sondern bedingen sich zudem gegenseitig, sind miteinander verflochtene Konstrukte – wenn auch mit unterschiedlichen Gewichtungen.
Die folgende Grafik bietet einen Überblick über die wichtigsten auf den Produktionsprozess einwirkenden Kräftefelder und ihre Beziehungen zueinander:
Einflussfaktoren auf die AV-Produktion
Die Einflussfaktoren auf den Produktionsbereich im audiovisuellen Sektor können in einen engen und einen breiten Prägungsbereich eingeteilt werden. Zu einem der engen einflussnehmenden Aspekte, die das jeweilige zu produzierende Projekt betreffen, zählt die Art der Produktion, also welches Format das Werk haben soll, welchem Genre es zugeteilt wird. Hier ist vor allem von Bedeutung, ob es sich um ein fiktionales (z.B. ein Film), ein non-fiktionales Werk (z.B. eine TV-Reportage) oder ein ganzes Programm handelt, da sich die Produktionsverläufe mitunter stark voneinander unterscheiden.
Das vorhandene Budget kann als zweiter produktionsbestimmender Faktor angeführt werden. Die Höhe des Produktionskapitals bestimmt unter anderem die Beschaffenheit des Personalstabs[6], die Möglichkeit bestimmter technischer Zusatzdienste wie Kranfahrten oder Hubschrauber und die Verwendung von Spezialeffekten und demzufolge auch die inhaltliche und formale Gestaltung des Produktes; ebenso sind die Anzahl der Drehtage und der zeitliche Rahmen der Nachbearbeitung vom budgetären Rahmen abhängig.
Die Herstellung eines audiovisuellen Werkes wird des Weiteren davon beeinflusst, für welchen Verbreitungsweg produziert, also welches Medium bedient werden soll. Handelt es sich um einen Kinofilm, um ein Fernsehspiel, um eine TV-Reportage, um ein Hörspiel etc.?
Und letztlich haben auch noch der Produzent selbst und die für die Herstellung verwendete Technik Einfluss auf die Beschaffenheit und Durchführung der AV-Produktion. Wer ist Produzent? Handelt es sich dabei um einen TV-Sender oder eine selbstständige Produktionsfirma? Wie groß ist das Produktionsunternehmen und welche Kapazitäten haben sie? Und hinsichtlich der technischen Faktoren ist nach dem Kameraformat (16mm, Hi8, Super-VHS etc.), nach Spezialeffekten oder nach digitalen Bild- und Tonbearbeitungstechniken zu fragen.
All diese Einflussfaktoren wirken ihrerseits aufeinander ein. So bestimmt etwa die Auswahl der Produktionsart oft wie viel Budget zu Verfügung gestellt wird; das Budget hat wiederum Einfluss auf technische Produktionsbedingungen und die Wahl des Mediums kann zu einem bestimmten Produzentenkreis führen und umgekehrt.
Neben diesen speziellen, engen Bedingungen für einzelne audiovisuelle Produktionsprojekte gibt es jedoch noch allgemein prägende Faktoren, also breite Einflussaspekte, die zwar auch auf einzelne Produktionen einwirken, doch generell den gesamten audiovisuellen Sektor betreffen. Zu diesen zählen Politik, Rezipient, Wirtschaft und Gesellschaft.
Nationale und internationale gesetzlich festgeschriebene Reglementierungen und Richtlinien wirken auf politischer Ebene auf audiovisuelle Produktionsprozesse ein. Der Zuschauer (Rezipient) bestimmt durch sein Rezeptionsverhalten, seine Bedürfnisse und Wünsche sowohl die formale als auch die inhaltliche Form audiovisueller Medienangebote.
Die Verwirtschaftlichung der audiovisuellen Medienindustrie und den damit verbundenen Erfolgszwang haben ihrerseits zu Veränderungen im Produktionsbereich geführt und letztlich beeinflussen gesellschaftliche Wandlungsprozesse und kulturelle Gegebenheiten die jeweiligen, vor allem nationalen AV-Produktionen.
Somit ist die Produktion audiovisueller Produkte in ein Netzwerk, ein großes Feld unterschiedlicher Einflussfaktoren und Herstellungsbedingungen eingebunden, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll.
Die technische Seite der AV-Produktion
Zuerst zur technischen Komponente der audiovisuellen Produktion. Da audiovisuelle Produkte tertiäre Medien sind, für das prinzipielle Zustandekommen und Funktionieren von Kommunikation sowohl auf der Produktions- als auch auf der Rezeptionsebene technische Geräte erforderlich sind, spielen technische Bedingungen und technologische Prozesse eine bedeutende Rolle im Bereich der Produktion, und haben maßgeblichen Einfluss auf die Form, aber auch auf den Inhalt audiovisueller Medienangebote.
Ein Blick zurück, etwa zu den Anfängen des Films – speziell zur Übergangszeit vom Stumm- zum Tonfilm, zeigt sehr deutlich, welchen Einfluss die Technik bzw. die technologischen Errungenschaften auf die Herstellung, aber auch auf die Verbreitung und Verteilung von Film- und Fernsehangebote hatten.
Auswirkungen des Übergangs vom Stumm- zum Tonfilm
Der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm markierte Anfang der 1930er Jahre jene Phase der Filmgeschichte, die einen weitreichenden Wandel in der Filmherstellung zur Folge hatte – und dies auf unterschiedlichen Ebenen. Während in der Stummfilmzeit beispielsweise noch keine standardisierte Projektions- bzw. Aufzeichnungs-Norm existierte, setzte sich mit der Einführung synchron zum Bild gezogener, mit konstanter Geschwindigkeit abzuspielender Tonspuren der bis heute gültige Standard von 24 Bildern pro Sekunde durch (vgl. Cherchi Usai 1998, S. 6).
Zudem bedurfte es während des „handwerklichen“ Produktionsprozesses neuer speziell den auditiven Bereich betreffender Geräte wie Mikrofone, Tonregler, Schneidetische für die Tonaufnahmen, Mischpulte etc., welche von geschulten und kompetenten Personen bedient werden mussten; es entstanden im Laufe der Zeit neue Berufsgruppen wie der Tonmeister oder der Tonassistent.
Vor allem für die Darsteller vor der Kamera war die Einführung des synchronen Tons mit enormen Umstellungen verbunden: Die im Stummfilm notwendige körperbetonte und gestische Umsetzung von Handlungen und Emotionen war obsolet geworden; Inhalt und Message eines Films mussten nun vielmehr durch geschicktes Kombinieren von gesprochenem Text und diesen verstärkende Mimik und Gestik vermittelt werden.[7]
Diese Veränderungen wirkten sich auch auf den Inhalt der Filmgeschichten aus: Stoffe wurden in Folge der Möglichkeit Handlungen und Gefühle detaillierter zu beschreiben komplexer, wodurch der Drehbuchentwicklung im Laufe der Zeit immer mehr Bedeutung zukam.
Für die internationale Verwertung filmischer Produkte eröffnete sich mit dem Tonfilm das Problem der verschiedenen Sprachen. Konnte ein Stummfilm in alle Länder der Welt exportiert und dort ausgestrahlt werden, so endete die Verbreitung eines Tonfilms an den Grenzen des Sprachraumes, in dem er produziert wurde. Es bedurfte somit ausgereifter Synchronisationstechniken, die jedoch erst einige Jahre nach Einführung der Verbindung von Bild und Ton hinreichend entwickelt waren.
Doch nicht nur die Vorproduktion und die Verwertung filmischer Werke änderten sich infolge der Einführung des Tonfilms maßgeblich. Auch die Dreharbeiten selbst mussten den neuen technischen Gegebenheiten angepasst werden, etwa durch Schallisolierung der Aufnahmeräume oder Geräuscheliminierung der lauten Lampen und Kameras (vgl. Dancyger 1997, S. 41).
Zusammenfassend kann reüssiert werden, dass der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm den Produktionsprozess in allen Sparten weitreichend umstrukturierte. Umdenken und Umlernen hieß demnach in den ersten Jahren des Tonfilms das Motto bei der Herstellung filmischer Produkte.
Filmbeispiel: Laurel & Hardy sprechen Deutsch – Kurzfilm (auf youtube)
Im Laufe der Zeit und durch immer neue Innovationen und technische Neuerungen wurde der Produktionsprozess ständig modifiziert und weiterentwickelt. Die massivsten Veränderungen für die Produktion audiovisueller Werke zeitigten in letzter Zeit technischen Innovationen im Rahmen der Digitalisierung – seit der Einführung des Tonfilms hat keine technische Neuerung für derartige Umbrüche in allen Produktionsbereichen eines filmischen Werkes gesorgt. Vielleicht eine kurze beispielhafte Skizzierung zu welchen Veränderungen die Digitalisierung bei der Produktion von Spielfilmen geführt hat (vgl. Hoffmann 1999; Büttner 2004; Tornow/ Mojto 2004; Krömker/ Klimsa 2005, S. 22):
In der Vorproduktion
Scripts, Storyboard, Locationshots und Probeaufnahmen verschiedener Schauspieler zu bestimmten Szenen können bereits am Computer begutachtet und zusammengeführt werden – dies ermöglicht eine exaktere Planung der Dreharbeiten, die v.a. bei Special Effects notwendig ist
In der Produktion
Obwohl Hollywood-Filme oder ganz allgemein große Spielfilmproduktionen oft auch noch auf Zelluloid gedreht werden, wächst die Anzahl der digital-elektronisch gedrehten Filme, v.a. im Independent-Kino und beim Dokumentarfilm, aber auch in der Spielfilmproduktion stark an – Zelluloid wird bald vom digital-elektronischen Film abgelöst werden
Vorteil der digitalen Filmaufnahme ist während des Produktionsprozesses etwa der, dass man bei Massenszenen keine große Anzahl an Statisten mehr braucht - diese werden am Computer generiert. Und auch viele Kulissen gibt werden erst im Anschluss an die tatsächlichen Dreharbeiten am Computer produziert. So werden Drehtage und viel an Produktionskosten gespart.
In der Nachproduktion (hier zeigen sich die weitreichendsten bzw. massivsten Veränderungen)
In der Distribution / Verwertung
Viele dieser gerade genannten Veränderungen durch die Digitalisierung bedeuten für die Filmproduktion eine Ersparnis an Zeit und Geld; zudem kann mehr experimentiert und mehr kreativ gearbeitet werden – es gibt mehr Möglichkeiten bestimmte Themen und Geschichten zu erzählen als noch vor Einführung der Digitaltechnik (denken sie nur an die Möglichkeiten bei den Special Effects).
Sowohl die Produktionsgestaltung und -organisation, die Art und Weise der Produktzuführung an die Endverbraucher als auch die inhaltliche und stilistische Beschaffenheit der Medienangebote waren und sind auch heute noch in erster Linie von den technischen Möglichkeiten abhängig; denn, wie eingangs schon erwähnt wurde, sind audiovisuelle Medien an die Geräte gekoppelt, die sie erzeugen. Die Technik stellt somit die Ausgangsbasis einer jeden AV-Produktion dar.
FILMBEISPIEL: Auswirkungen der technischen Innovationen auf die Filmproduktion – anhand von zwei Beispielen (Making Of von Predator versus Szene aus Fluch der Karibik)
Ökonomische Aspekte der AV-Produktion
Das zunehmend an Bedeutung gewinnende wirtschaftliche Kalkül im Zuge der Produktion von Medienangeboten hat sowohl im Fernsehen als auch im Kino dazu geführt, dass sich heute alles „rechnen“ muss. Zuschauerzahlen, Einschaltquoten, Werbeerträge, Kostenreduktion – alles Faktoren die im AV-Produktionsprozess zu berücksichtigen sind.
Die Finanzierung und wirtschaftliche Absicherung eines Produktionsprojekts spielt vor allem auch deshalb eine bedeutende Rolle innerhalb des Produktionsprozesses, da die Herstellung audiovisueller Werke kostspieliger wird – sowohl im Kino als auch im Fernsehen – und sich die Aufbringung der Produktionsmittel daher immer schwieriger und langwieriger gestaltet. Eine abgesicherte Finanzierung und wenn möglich ein möglichst großer wirtschaftlicher Erfolg des späteren Werkes ist das um und auf einer jeden AV-Produktion.
Bei der Finanzierung audiovisueller Werke ist zwischen der Finanzierung von audiovisuellem Programm und der Finanzierung von Einzelwerken zu unterscheiden.
Finanzierung von Einzelwerken
Bei der Kapitalbeschaffung für audiovisuelle Einzelproduktionen gibt es je nach Medium (Kino oder Fernsehen) unterschiedliche Alternativen und je nach Produktionsland unterschiedliche Verfahrensweisen. Generell ist es so, dass Filme, die ausschließlich für die Ausstrahlung im Fernsehen produziert werden – egal in welchem Land –, werden meist von TV-Anstalten voll- oder teilfinanziert werden, während das finanzielle Kapital für Kinospielfilmen meist aus anderen Quellen stammt.[9] Dabei zeigen sich dann auch landesspezifische Unterschiede, die – wie sich gleich zeigen wird – auch zu unterschiedlichen inhaltlichen Anforderungen an die Produkte führen, die bei der Erstellung eines Medienangebots beachtet werden müssen.
In Hollywood geschieht die Finanzierung eines Spielfilms in der Regel durch Filmstudios (wie 20th Century Fox, Disney, Universal etc.), den so genannten Majors, „die auf eigenes Kapital bzw. Koproduzenten und Kreditlinien bei Banken zurückgreifen und in hohem Massen das Produkt bereits vor der Herstellung weltweit in allen Medien und Territorien vorverkauft haben“ (Clevé 2005, S. 77). Der Vorverkauf meint dabei die Auswertung auf unterschiedlichen Ebenen, z.B. Kino, DVD/Video, Pay-TV, Free TV, Merchandising und Licensing, Print, Games, Internet, Audio etc. in unterschiedlichen Ländern. Kommerzieller Erfolg ist demnach für US-Werke essentiell und bestimmt somit auch in entscheidendem Maße die Produktion – sowohl inhaltlich als auch distributiv: massentaugliche, international ein Publikum findende Geschichten mit möglichst weitflächiger, internationaler Verwertung (vgl. Baujard 2005, S. 96).
In Europa werden Kinofilme dagegen vorwiegend durch Fremdmittel finanziert, die dem Produzenten in Form von Barbeträgen oder Dienstleistungen aus unterschiedlichen Finanzierungstöpfen gewährt werden. (Vgl. Kallas 1992, S. 59) Zu den geläufigsten Finanzierungsarten aus fremder Hand zählen dabei der Erhalt von Produktionskapital aus nationalen und internationalen Fördertöpfen (in den USA gibt es keine Filmförderung) und die Finanzierung durch oder mit Fernsehanstalten (vgl. ebd., S. 122). Diese Finanzierungsform macht europäische Film-Produktionen etwas unabhängiger vom Muss einer kommerziell erfolgreichen Verwertung – obwohl diese natürlich auch wichtig ist – und ermöglicht die Behandlung von weniger massentauglichen Geschichten. Künstlerische oder kulturelle Werte beeinflussten demnach in sehr viel höherem Maße den europäischen als den amerikanischen Film (vgl. Clevé 2005, S. 75; Baujard 2005, S. 96f.).
Zur Veranschaulichung von welchen Geldbeträgen hier die Rede ist: Die Herstellungskosten für einen deutschen Kinofilm betragen durchschnittlich 2,6 Millionen Euro pro Film – in Hollywood sind es 50 Millionen Dollar. Dazu müssen noch die Kosten, die im Zuge der Verwertung und dem Herausbringen des Films entstehen, dazugerechnet werden: in Deutschland 0,7 Millionen Euro, in Hollywood: 30 Millionen Dollar. Es zeigt sich jedoch, dass der US-Film durch die Art seiner Finanzierung und der Höhe der Produktionskosten für ein einziges Filmwerk sowie der sich daraus häufig ergebenden Notwendigkeit einer internationalen Verwertung auch eine viel stärkere internationale Position einnimmt als der europäische Film – so dominiert Hollywood das Kino weltweit (vgl. Clevé 2005, S. 75). Nur 20% der nationalen Produktionen in Euopa verlassen je ihr Ursprungsland (vgl. Tornow/ Mojto 2004). Bei europäischen Produktionen sind hingegen nationale Sprachen und spezifische nationale Kulturvoraussetzungen oft Hemmschwemmen für ihre Globalisierung bzw. internationale Konkurrenzfähigkeit (vgl. Klimsa/ Krömker 2005, S. 41).
Finanzierung von Programmen
Die Finanzierung der Programmproduktion richtet sich nach der Beschaffenheit und Struktur der jeweiligen Programmanbieter (öffentlich-rechtlich oder privat) und kann grundsätzlich in staatliche und nicht-staatliche Finanzierung unterteilt werden.
Öffentlich-rechtliche Fernsehanbieter finanzieren ihr Programm zu zwei Dritteln aus den gesetzlich vorgeschriebenen Nutzer- bzw. Rundfunkgebühren. Hinzu kommen Einnahmen aus Werbeeinnahmen, aus der Besteuerung privater Anbieter oder aus dem Verkauf von Sendelizenzen. (Vgl. Seidel/Schwertzel 1998, S. 28)
Privaten Fernsehanstalten bieten sich im Gegensatz dazu erheblich mehr Möglichkeiten, ihr Programm zu finanzieren. Prinzipiell sind diese in zwei Kategorien einzuteilen: Auf der einen Seite fließen Gelder aus marktgebundenen Quellen, welche je nach Struktur und Zielsetzung der Sender unterschiedlich aussehen (z.B. Entgeltfinanzierung wie bei Premiere oder Werbefinanzierung wie bei RTL). (Vgl. Seidel/Schwertzel 1998, S. 28) Auf der anderen Seite schöpfen Sender auch aus Geldtöpfen, die sich nicht direkt auf marktwirtschaftliche Faktoren beziehen; dies wären zum Beispiel Spenden, Mitgliedsbeiträge oder Eigenmittel (vgl. ebd.).
Welche Vor- und Nachteile bergen die jeweiligen Finanzierungsformen nun im Hinblick auf die Programmproduktion und -gestaltung? Aufgrund der Finanzierung durch gesetzlich vorgeschriebene Rundfunkgebühren steht die Programmproduktion öffentlich-rechtlicher Sender nicht vorrangig (im Gegensatz zu nicht-staatlich finanzierten Unternehmen) in Beziehung zur Zahlungsbereitschaft und zur Konsumentenpräferenz der Nutzer. Diese relative Unabhängigkeit vom Werbemarkt Fernsehen ermöglicht es ihnen ein breiteres Zuschauersegment und damit auch Minderheiten und Randgruppen mit Programminhalten zu bedienen als ihre privaten Konkurrenten – was sich wiederum in der Programmplanung und Programmproduktion ausdrückt.
Werbe- und entgeltfinanzierte Fernsehsender sind in erster Linie gewinnorientiert. Während durch Werbung finanzierte TV-Anbieter von der werbetreibenden Wirtschaft und vom konsumierenden Publikum abhängig sind – Programminhalte demnach nur Mittel sind, um eine möglichst große Zuschaueraufmerksamkeit zu erlangen bzw. diese zu verkaufen –, steht bei Pay-TV-Anbietern die individuelle Zahlungsbereitschaft der Zuseher im Vordergrund, wodurch prinzipiell auch die Möglichkeit gegeben ist mit ausdifferenzierten Programmangeboten kleinere Minderheiten entsprechend der individuellen Zahlungsbereitschaft anzusprechen.
Die Art und Form der Finanzierung hat demnach – wie bereits zu Beginn dieses Kapitels angeführt wurde – entscheidenden Einfluss darauf, welche Inhalte bei audiovisuellen Programmproduktionen hergestellt werden, wie sich der jeweilige Produktionsverlauf gestaltet und in welcher Form die erstellten Produkte dem Publikum schlussendlich präsentiert werden.
Politik und Gesellschaft als Einflussfaktoren für die AV-Produktion
Medien, vor allem audiovisuelle Massenmedien wie der Film und das Fernsehen, wurden aufgrund ihrer Reichweite über nationale Grenzen hinweg, ihrer Bedeutung für die Wirtschaft, ihrer Verständlichkeit, ihrer Überzeugungskraft und ihrer stetig wachsenden Beliebtheit im Laufe der Zeit immer mehr zu einem Politikum, zu einem Mittel der nationalen sowie internationalen Politik.
Schon im Ersten und dann auch im Zweiten Weltkrieg entdeckte man den Film als hervorragendes Propagandainstrument, und nach dem Krieg wurden der Film und später das Fernsehen auf politischer Ebene hauptsächlich zum Kennenlernen und Verständigen der Völker und Staaten eingesetzt (vgl. Thiermeyer 1994, S. 60f.). Wahlen werden heutzutage etwa in erster Linie über Medien inszeniert und ausgefochten – wer sich dem Wähler in TV und Presse am besten zu präsentieren versteht, hat gute Chancen auf einen positiven Wahlausgang.
Im Laufe der Zeit wurden gemäß der wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Entwicklung des Rundfunks und der Medienproduktion, erst auf nationaler und schließlich auch auf internationaler Ebene, unterschiedliche Rechtsrahmen geschaffen, die heute sowohl die Produktion audiovisueller Werke als auch ihren Vertrieb und ihre Vermarktung regeln.
Nationale politische Kontrolle geschieht vor allem auf zwei Wegen:
Zugangsbeschränkungen durch Lizenz- bzw. Frequenzzuteilungen (zur Monopolkontrolle) oder technische Auflagen und
inhaltlichen Vorlagen oder Vorschreibungen (z.B. der Programmauftrag bei öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten, Werbezeitbeschränkung, Jugendschutzbestimmungen etc.). (Vgl. Mc Gonagle 2001, S. 5; Friedrich 1997, S. 13)
Der Staat legt somit den gesetzlichen Handlungsspielraum für die Gestaltung, Produktion, Beschaffung und Verbreitung von audiovisuellen Medien fest.
Doch nicht nur auf nationaler Ebene wirken Gesetzgebung und Politik auf die Medienproduktion ein, auch international werden Richtlinien für die Produktion audiovisueller Medien erlassen wie etwa die EU-Fernsehrichtlinie oder das vom Europarat initiierte Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen. Diese europäischen Medienverordnungen bilden heute zunehmend auch die Grundlage für die einzelstaatlichen Bestimmungen im Telekommunikationssektor.
Die Gründe dafür? Durch die immer schnellere Entwicklung neuer Rundfunk- und Distributionstechniken mit der zu Beginn der 80er Jahre entstandenen Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Empfangs von Fernsehsendungen und dem Aufkommen neuer Trägermedien (z.B. Video) entstand der Bedarf nach einer „einheitlichen, europäischen audiovisuellen Politik sowohl im Kinobereich als auch in Bezug auf audiovisuelle Werke“ (Ohlig 2003, S. 5). Privatisierung und Liberalisierung standen dabei im Vordergrund der Bemühungen (vgl. van Eijk 2003, S. 2). „Im Ergebnis sollte ein starker und wettbewerbsfähiger Sektor europäischer Produktionen entstehen, der ein wirksames Gegengewicht zur US-Industrie darstellen und der Schaffung und Erhaltung europäischen Kulturerbes dienen sollte“ (ebd., S. 5f.), es soll jedoch gleichzeitig davon Abstand genommen werden, die Regulierung von Medieninhalten der jeweiligen nationalen Staaten einander anzugleichen und identische Gestaltungsvorlagen zu schaffen.
Der Zuschauer und die AV-Produktion
Neben politischen Regulierungen ist die Film- und Fernsehproduktion auch maßgeblich vom Zuschauer abhängig. Denn da sich audiovisuelle Medienangebote immer an ein Publikum bzw. an mehrere Publika richten, kommt diesem auch bei der AV-Produktion eine vorrangige Stellung im Kreis der einflussnehmenden Akteure zu. Produziert wird, was beim Zuschauer Gefallen findet und Absatz erreicht.
Auf lange Sicht bestimmen also die Zuseher, welche Filme, Fernsehformate und -programme produziert werden und wie sich die Produktion audiovisueller Werke entwickelt; vor allem seit der mit der Einführung des dualen Rundfunks zunehmenden Nachfrage an Programmen. Es hat sich ein heftiger Konkurrenzkampf der Anbieter um die Aufmerksamkeit der potentiellen Medienrezipienten entwickelt, wodurch die audiovisuellen Angebote verstärkt auf die Interessen der Zuschauer zugeschnitten werden.
So müssen die Medienproduzenten über die Vorlieben und Gewohnheiten ihrer Zielgruppe(n) informiert sein, wozu sowohl inhaltliche und formale Präferenzen als auch allgemeine Informationen zu Sehdauer und Nutzungszeiten (vor allem im Fernsehen) zählen. Welche Genres und Formate werden von welcher Alters- und Geschlechtsgruppe favorisiert? Wie müssen Spannungsbögen gestaltet sein, damit sie beim Publikum am besten ankommen? Welche Themen sind gegenwärtig aktuell und beliebt? Zu welcher Tageszeit und -stunde erreicht man die größtmögliche Zuschauerzahl und vor allem die höchste Aufmerksamkeitsbereitschaft? etc.
Audiovisuelle Medienproduzenten rekonstruieren demgemäß für ihren Handlungszweck relevante Urteile, Erwartungen, Bedürfnisse und Wunschvorstellungen des aktuellen oder virtuellen Publikums und setzen die Ergebnisse ihrer Publikumsbeobachtungen angemessen dramaturgisch um (vgl. Willems 2000, S. 214).
Die audiovisuelle Produkterzeugung hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch resultieren sie in der Regel aus technologischen Entwicklungen – wie schon das kurze Beispiel des Übergangs vom Stumm- zum Tonfilm verdeutlichte. Technische Innovationen und Entwicklungen, die heute vor allem mit den Stichworten Digitalisierung und Konvergenz beschrieben werden können, sind der „Motor“ für anschließende gesellschaftspolitische, wirtschaftliche und kulturelle Veränderungen bilden. Darauf wird jedoch an einem späteren Vorlesungstermin, der sich speziell der Digitalisierung widmet, näher eingegangen.
Obwohl die digitale Technologie und ihre Folgeentwicklungen den gesamten Ablauf der Produktkreierung und damit den praktischen Produktionsprozess revolutionierten, führten sie jedoch vor allem auch zu weitreichenden Umstrukturierungen auf der ökonomischen und politischen Ebene. In diesem Kontext können in den letzten Jahrzehnten drei entscheidende Entwicklungstrends ausgemacht werden, die sich zum Teil gegenseitig bedingten und beeinflussten:
Deregulierung und Privatisierung (Unter Deregulierung versteht man die Entstaatlichung von Entscheidungs-, Organisations- und Verfahrensstrukturen im AV-Bereich, speziell beim Fernsehen. So kommt es zur Verlagerung der bislang staatlichen Aktivitäten in den Sektor der Privatwirtschaft = Privatisierung),
Kommerzialisierung (Kommerzialisierung ist eng mit Deregulierung und Privatisierung verbunden; Unternehmen handeln auf Gewinn bedacht; Neben das den Medien zugeschriebene kulturelle Leistungspotential und -ziel tritt demnach die ökonomische Komponente der Gewinnerwirtschaftung) sowie
Globalisierung (Unter Globalisierung werden Veränderungsphänomene auf vielen unterschiedlichen Ebenen verstanden – etwa im Hinblick auf Politik, Kultur, Umwelt oder Wirtschaft –, wodurch eine exakte Begriffsbestimmung schwierig erscheint. Zu denken ist hier etwa an den kontinuierlichen Ausbau des Massentourismus, an Live-Fernsehübertragungen, die überall auf dem Globus empfangen werden können, an das weltumspannende Internet, an unvorstellbare Transaktionen an den Geld- und Devisenmärkten etc. Allgemeine Kennzeichen der Globalisierungsprozesse sind weltumfassende, internationale Dependenzen und wechselseitige Handlungsmechanismen in allen gesellschaftlichen Bereichen, die die Begrenzung von Raum und Zeit aufheben.
Medien und neue Medientechnologien spielen hierbei eine bedeutende Rolle, da ihr Vorhandensein die Voraussetzung für solche globalen Entwicklungen ist. Da jedoch die Produktion medialer Inhalte von zahlreichen Rahmenbedingungen beeinflusst wird, war der (audiovisuelle) Medienproduktionssektor ebenfalls von maßgeblichen Veränderungen betroffen, wobei die Maßnahmen zur Deregulierung des audiovisuellen Mediensektors und das Produzieren nach kommerziellen Gesichtspunkten dabei entscheidende Anstöße für eine Globalisierung der audiovisuellen Medienindustrie und -produktion gab.)
Auswirkungen dieser Entwicklungen
Welche Auswirkungen hatten diese soeben skizzierten Entwicklungen jetzt auf den Produktionsbereich? Veränderungen sind etwa seitens der Produktionsunternehmen und ihren Organisationsstrukturen zu erkennen.
Der Zuwachs an nationalen wie internationalen Konkurrenten, die damit verbundene Explosion von und Nachfrage nach Programmen[10] sowie das durch gegenseitige Preisüberbietungen hervorgerufene exponentielle Steigen von Produktionskosten führten auf Seiten der Produktionsunternehmen zu Konzentrationen und Verflechtungen.
So schlossen sich in Europa seit Beginn der 1990er Jahre bislang klein oder mittelständisch organisierte Produktionsunternehmen zu größeren Konzernen zusammen bzw. fusionierten mit einem bereits etablierten, erfolgreichen Medienunternehmen (vgl. Röscheisen 1997, S. 47; Hoffmann-Riem 1999, S. 25). Kostenvorteile[12], Konkurrenz- sowie Verantwortungsminimierung und Know-how-Vervielfachung können als primäre Gründe für diese Zusammenschlüsse betrachtet werden.
So veranschaulicht eine nähere Betrachtung der Eigentumsverhältnisse am deutschen Fernsehmarkt etwa sehr deutlich, dass trotz einer im Laufe der Zeit kontinuierlich betriebenen und umfangreichen Programmausweitung der deutsche TV-Markt hochgradig konzentriert ist und von zwei Veranstaltergruppen, die wiederum bedeutenden Medienkonzernen angehören, dominiert wird:
Der ehemaligen Kirch-Gruppe, die seit 2002 unter einem neuen Dach (ProSiebenSat.1 Media AG) und neuen Eigentümern (Saban Holdinggesellschaft) agiert und der RTL-Group, die dem Bertelsmann-Konzern angehört (vgl. Kiefer 2004).
Es lässt sich auch ein Trend zu internationalen Aktivitäten und zur Erschließung neuer Märkte im audiovisuellen Produktionssektor erkennen.
Es entstanden globale transnationale Medienunternehmen, welche nicht nur in unterschiedlichen Mediensektoren agieren, sondern laut Knoche (vgl. 1999, S. 93) zu Verbund-Unternehmen geworden sind, die auch in anderen marktwirtschaftlichen Bereichen etwa in Form von Freizeitparks, Reisebüros, Airlines oder Hotelketten operieren.
Medien werden dadurch nicht mehr ausschließlich im Aktivitätskomplex eines Medienunternehmens produziert, „sondern […] sind lediglich Teile von Mischkonzernen, die mit einem Engagement im Medienbereich bestrebt sich [] potentielle Wachstumsrisiken auszugleichen“ (Jarren/Meier 1999, S. 240). So wird die Nationalität einer Produktionsfirma oder eines von ihr produzierten Werkes zunehmend obsolet.
Es kann prognostiziert werden, dass wir angesichts einer in Riesenschritten voranschreitenden Kommunikationstechnologie und darauf fußender ökonomischer, politischer und kultureller Entwicklungen heute vor einer grundlegenden Neustrukturierung im audiovisuellen Produktions-, und letztlich auch im gesamten audiovisuellen Kommunikationsbereich stehen. Dies zeigt sich etwa bereits darin, dass heute zunehmend der „Ruf nach einer rechtlichen Neudefinition des Rundfunks laut […], da der überholte Rahmen der heutigen Praxis nicht mehr gerecht wird“ (Mc Gonagle 2001, S. 4; vgl. auch Holtz-Bacha 2006).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass audiovisuelle Medienproduktionen die Grundlage, die Basis einer jeden audiovisuellen Kommunikation schaffen, da in diesem Prozess das Medienmaterial hergestellt wird, welches der Zuseher rezipiert, mit welchem er kommunikativ arbeitet. In der AV-Produktion liegen somit Ursprung und Rahmenstrukturen audiovisuell-kommunikativen Handelns begründet.
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Der gesamte Vortrag ist stark an Bichler (2006) angelehnt.
Siehe dazu u.a. auch Clevé 2004
Eigenproduktionen sind Programme, die vom (TV-)Anbieter oder mehren (TV-)Anbietern mit eigenen Ressourcen (Produktions- und Finanzmitteln) hergestellt und bearbeitet werden. Sind mehrere Unternehmen in Kooperation an einer Produktion beteiligt, dann spricht man von Koproduktionen.
Mit Auftragsproduktion werden Projekte bezeichnet, die überwiegend mit unternehmensfremden Produktionsmitteln und von externen, eigenständigen Produzenten (Produktionsfirmen) erstellt werden. Die Auftraggeber, also etwa die TV-Sender, haben jedoch redaktionelles Mitspracherecht.
Kauf- und Lizenzprogramme werden von senderunabhängigen Produzenten hergestellt und von den TV-Anbietern am Fernsehprogrammmarkt gänzlich oder für einen begrenzten Zeitraum über eine Lizenz zur Ausstrahlung erworben.
Vor allem die Zahl an sogenannten „Stars“ im Team wird durch das vorhandene Budget bestimmt, da bekannte Schauspieler und Regisseure sehr teuer, jedoch für den Erfolg einer Produktion wichtig sind.
Viele Stars der Stummfilmzeit konnten sich den neuen Gegebenheiten und Anforderungen nicht anpassen und an ihre früheren „stillen“ Filmerfolge anknüpfen. Die Gilde der Stummfilmstars machte einer neuen Generation an Tonfilm-Schauspielern Platz. (Vgl. Dancyger 1997, S. 40)
IP-TV (Internet Protocol Television) wird „als digitale Übertragung von Medieninhalten (wie z.B. Fernsehprogrammen oder Filmen) über ein digitales Datennetz verstanden. Der Begriff wird für verschiedene Anwendungen wie etwa Live TV (Multicast über Set Top Box) Internet-TV (Unicast, Videostreams) oder Video On Demand (virtuelle Videothek auf Abruf) eingesetzt.“ (Adam 2006)
Obwohl anzumerken ist, dass heute bereits sehr viele Fernsehanbieter in die Kinofilmproduktion investieren und es infolge des Wandels der audiovisuellen Medienindustrie und der damit einhergehenden Bedeutungs- und Funktionsverschiebung der unterschiedlichen Medien – vor allem von Kino und Fernsehen – zu Interdependenzen zwischen der Film- und der Fernsehindustrie gekommen ist; speziell in finanzieller Hinsicht.
Die Zahl der deutschen Fernsehprogrammanbieter stieg etwa zwischen 1986 und 1998 von 22 auf 103 an. (Vgl. Kiefer 2004) Die Vervielfachung der TV-Unternehmen sowie die Ausdehnung der täglichen Sendezeit brachten einen erheblichen Bedarf, vor allem an fiktionalen Programmen (vgl. Röscheisen 1997, S. 13).
Kostete einem Fernsehsender ein amerikanischer Spielfilm mit „durchschnittlicher Attraktivität“ 1984 noch zwischen 120.000 und 130.000 DM, so stieg der Preis 1994 auf 700.000 DM; für einen erfolgreichen Hollywood-Spielfilm waren es mit mindestens 2,5 Millionen DM noch einmal erheblich mehr (vgl. Böckelmann 1995, S. 67).
Medienprodukte können in Allianzen wesentlich risikoärmer produziert werden, da die jeweiligen Unternehmen weniger Kapital investieren müssen und dadurch die Gefahr einer Firmenpleite bei einer negativen Auswertung verringert wird (vgl. Keidel 1999, S. 174).
Siehe: Krüger/Zapf-Schramm 2007, ALM 2006
Der Vortrag wurde 1999 oder 2000 auf den Münchner Medientagen gehalten. Das genaue Jahr ist nicht rekonstruierbar, da die Homepage in ihrem Archiv Vorträge aus den Jahren 1999 und 2000 zusammengeführt hat.
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