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1. Einleitung
Der Vergleich eines Films mit dem Buch das es inspiriert, ist eine herausfordernde Aufgabe. Im Falle Pattrick Süßkinds Werk, „Das Parfum“[1], das von Tom Tykwer verfilmt wurde, ist eine vergleichende Analyse noch spannender, denn eine ähnliche Initiative gibt es noch nicht wirklich.
Wenn wir über „Das Parfum“ sprechen, reden wir über einem herausragenden Stück der Gegenwartsliteratur, dessen verfilmte Variante erst in 2006 präsentiert wurde.
Das Buch selbst kann Inspiration genug sein um dieses Thema für eine Diplomarbeit zu wählen. Aber der Film funktioniert wie ein letzter Stoß, der einen dazu bringt Pattrick Süßkinds Werk zu wählen.
Die Reifezeit dieser Idee hat zirka drei Jahre lang gedauert, da der erste Kontakt mit diesem Stoff im ersten Studienjahr (2004) stattgefunden hat. Ein Entschluss ist daraus erst im vierten Studienjahr geworden (2007).
Im Mittelpunkt der Arbeit steht der Film von Tom Tykwer. Das ist außschlaggebend, weil aus dem literarischen Werk nur die Teile behandelt werden, die sich auch im Film wiederfinden.
Ziel ist, die Motive der beiden Kunstwerke analytisch zu vergleichen. Motive werden sowohl aus literarischem als auch aus filmtechnischem Gesichtspunkt betrachtet, das zu eine Begründung dessen führt, wieso der Film eben die darin zu findenden Sequenzen des literarischen Textes behandelt. Die Diskussion der Technicken mit denen einige im literarischen Text zu findenden Motive, wie zum Beispiel das des Todes, auf die Leinwand gebracht werden, ist eine der wichtigsten Ziele die diese literaturwissenschaftliche Arbeit sich setzt.
Das soll aber nicht heißen, dass Pattrick Süßkinds Buch im Ganzen außer Acht gelassen ist. Die Arbeit nimmt sich noch vor herauszufinden, wieso der Autor eben das Frankreich des XVIII. Jahrhunderts als Zeit und Ort der Handlung gewählt hat.
Die Analyse der Protagonisten ist kein Ziel dieser Abhandlung, aber die Hauptfigur Jean Babtist Grenouille wird selbstverständlig im Laufe der Arbeit charakterisiert, wenn auch nicht detailiert und eingehend. Seine Beziehung zu den anderen Personen ist eine Erklärung unbedingt Wert, weil Jean Babtist in dem Leben jeder einzigen von ihnen eine prägnante Spur hinterlässt.
Diese Arbeit bietet keinen lange und tiefgehende Biographie des Autors, aber für das Verstehen einiger Stellen des literarischen Werkes ist es unerlässlich, dass auch über Pattrick Süßkind gesprochen wird. Einige Perioden seines Lebens sind beschrieben, aber außschließlich diejenigen, die Einfluss auf die Entstehung des Romans genommen haben.
Um einen umfassenden Arbeit zu schreiben ist es nötig die Leser mit den Inhalt des Buches bekannt zu machen, deswegen nimmt sich der Text vor, einen Zusammenfassung der Geschähnisse des Romans zu geben. Da die Analyse des Filmes einen wesentlichen Teil der Abhandlung ausmacht, ist es nicht unbedingt nötig aber auf jeden Fall interesant und informativ, wenn der Rezipient dieses Textes einiges über den Regisseur und den Drehbuchautor des Filmes erfährt.
Was die Filmtechnische Seite der Analyse betrifft, kann behauptet werden, dass der Film und die im Film erscheinenden Motive aus mehreren Gesichtspunkten erklärt werden. Z.B. wie die Kamerabewegungen die Botschafft des Filmes unterstützen, verstärken oder möglichst aber unwahrscheinlich negieren. Die Analyse der vorherschenden Farben und ihre Bedeutung ist auch ein Teil der Arbeit. Die Relevanz der Masken, das Setting, die Kostüme werden auch unter die Lupe genommen.
Die Charakterisierung der Hauptfigur macht, wie gesagt, keinen wesentlichen Teil der Analyse aus, aber die verschiedenen Rollen die ihm gegeben werden können sind wichtig zu beobachten. Mit Rollen ist die unterschiedliche Betrachtung seiner Tätigkeit gemeint. Er kann als Genie gesehen werden, weil er sich ein Ziel setzt und mit seinen besonderen Fähigkeiten es auch realisiert. Er kann ein kaltblütiger Mörderer genannt werden, ohne moralischen Hemmungen oder einem ausgeprägten Gewissen. Jean Babtist ist aber auch ein wahrer Schöpfer, der Düfte komponiert, die vorher in der Welt nicht existieren; im Zusatz ist er Schöpfer, weil er sich eine eigene Welt schafft, in dem er Gott spielen kann. Diese Aspekte können hervorragend mit der Analyse der Motive verknüpft werden und unterstützen die Informativität der Arbeit wesentlich.
2. Biographien
2.1. Das Leben des Autors
Über Patrick Süskind weiß die Öffentlichkeit nur wenig, weil er gewollt sich zurückgezogen lebt. Die Repräsentanten der Presse haben es schwer, wenn sie versuchen über den Autor Informationen zu erfahren oder ihn um einen Interview zu bitten.
Er ist schon sein ganzes Leben lang ein Mensch, der mit dem Rampenlicht wenig zu tun haben will. Das ist wiederum schwer zu verstehen, weil er mit seinem Roman „Das Parfum“ 1985 den Welterfolg schafft und ins Zentrum des Interesses gerät. Dieses Werk ist 6 Jahre lang in den Bestsellerlisten präsent. Es wird in 33 Sprachen übersetzt und in 8 Millionen Exemplaren verbreitet.
Die allgemeine Tendenz zeigt, dass die Werke eines Autors oft durch die Erläuterungen des Autors selbst greifbar und verständlich sind. In Patrick Süskinds Fall ist das genau umgekehrt. Die Leserschaft erfährt viele Details über ihn aus seinen Werken und aus den Hinweisen seines biografischen Umfeldes[3]. Nachdem es festgestellt wurde, dass Patrick Süskind ein zurückgezogenes Leben führt und an den gesellschaftlichen Zusammenkünften wenig oder gar nicht erscheint, ist es verständlicher, wieso die meisten seiner Haupfiguren isolierte, aus der Gesellschaft ausgeschlossene, antisoziale Charaktere sind. Beispiele, die diese Idee unterstützen, wären Jean Babtist Grenouille in „Das Parfum“, die Haupfigur in „Der Kontrabass“ , Jonathan Noel in der Novelle „Die Taube“ , Herr Sommer in „ Geschichte von Herrn Sommer“ . Dies ist ein anderes autobiografisches Element, dessen Rolle ernst zu nehmen ist.
Patrick Süskind wurde am 26. 03. 1949. in Ambach am Stranberger See geboren. Sein Vater, Wilhelm Emanuel Süskind ist Publizist und Romancier, und in der Nachkriegszeit leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Später ist auch der Sohn bei verschiedenen Zeitungen wie z. B. Der Literatur, Krakauer Zeitung und der Süddeutschen Zeitung tätig. Der Vater von Süskind ist als Tyrann zu bezeichnen, der seinen Sohn schlecht behandelt und das Kind nicht als Menschen betrachtet.
Die musikalische Ausbildung spielt im Leben des Autors eine wichtige Rolle, die aber eher negative Gefühle hinterlässt. Seine Klavierlehrerin ist ein Mensch, der sich schwer zu beherrschen weiß. Nach diesen Informationen ist es leichter zu verstehen, wie die Künstlerproblematik in den Werken von Süskind erscheint. Seine zwei Texte, „Der Kontrabass“ und „Geschichte von Herrn Sommer“, enthalten autobiografische Züge, was den Werdegang einer Künstlerexistenz betrifft. Wegen dieser schlechten Erfahrungen mit der Kunst erscheint in den Werken des Autors das scheiternde Genie. Das Werden des Künstlers deutet in den meisten Fällen auf ein negatives Ende. Diese Eigenschaft der Texte ist auch ein Protest gegen den tyrannischen Vater und gegen eine „wild gewordene Klavierlehrerin“.
Die Bildung des Autors beginnt in der Dorfschule von Holzhausen, wo er auch das Gymnasium absolviert. Danach studiert er in München Geschichte und verbringt auch ein Jahr in Aix-en-Provence, wo er sich Vorlesungen anhört. Sein Studium schließt Süskind mit einer Magisterarbeit, über das politische und soziale Engagement George B. Shaws ab, im Jahre 1974.[10]
Außer seiner nennenswerten literarischen Tätigkeit ist Patrick Süskind auch in der Filmbranche aktiv. Er erarbeitet, zusammen mit Helmut Dietl, die Drehbücher für die Erfolgsserien Kir Royal und Monaco Franze; das neueste Projekt, in dem er aktiv Teil nimmt, ist, Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief, der auch mit dem Deutschen Drehbuchpreis ausgezeichnet wurde.[11] Die Hauptfigur dieser Filmkomödie, Jacob Windisch, kann gut mit Patrick Süskind verglichen werden, indem dieser Charakter die Taten und Gedanken, kurz gesagt das Leben, eines Einzelgängers darstellt. Das Leben allein ist wie gesagt als eine Eigenschaft Süskinds wahrzunehmen, der es auch bevorzugt ein fast ganz isoliertes Dasein zu führen.
Wie schon gesagt, das wichtigste Stück seines Lebenswerkes ist der Roman „Das Parfum“, der ihn den Weltruf verschafft, zu dem er aber ein interessantes und außergewöhnliches Verhältnis hat. 1985 erläutert er, „So einen Roman zu schreiben ist furchtbar“[12] und, dass er nicht glaube, dass er so etwas noch einmal machen würde.
Heute lebt Patrick Süskind untergetaucht in München oder in Mansarden in Frankreich, und macht es den Reportern immer noch schwer, über ihn irgendetwas zu erfahren. Einmal hat er darauf hingedeutet, dass er sich vielleicht mal auf ein längeres Interview einlässt. Dieses Versprechen hat er aber bis heute noch nicht gehalten. Der Autor von „Das Parfum“ bleibt also weiterhin „ein Autor ohne Biografie.“
2.2. Das Leben des Regisseurs
Patrick Süskinds Roman „Das Parfum“ ist ein Welterfolg und das Werk, das in den letzten 20 Jahren die größte Resonanz in der deutschsparchigen Literatur erlebt. Ein so hoher Grad des Erfolgs bewegt einige Persönlichkeiten der deutschen Filmbranche dazu, die Geschichte von Jean Babtist Grenouille auf Leinwand bringen zu wollen. Der Autor ist nicht leicht zu überreden; das ist auch kein Wunder, wenn man bedenkt, wie zurückgezogen er sein Leben führt. Doch ein deutscher Produzent und Regisseur namens Bernd Eichinger schafft es, die Erlaubnis des Autors zu bekommen und damit kann die Produktion des Filmes beginnen. Bernd Eichinger besitzt einen wesentlichen Teil des bekannten deutschen Filmstudios Constantin Film; das heißt natürlich, dass die Produktionsrechte des Filmes diesem Studio gehören werden.
Der Film erlebt seine Premiere am 7. September
Tom Tykwer bekommt die Aufgabe, die Regie des Filmes zu führen und weil dieses Werk auch als Kino-Produkt weltweit bekannt wird steigt sein Renommee erheblich.
Tom
Tykwer wird am 23. Mai
Für viele seiner Werke bekam Tykwer eine Reihe von Preisen, wie z. B. im Jahre 1994 den Preis der deutschen Filmkritik für „Die tötliche Maria“, 1999 den Deutschen Filmpreis in Gold für die Regie von „Lola rennt“, 2001 den Deutschen Filmpreis für die Regie des Filmes „Der Krieger und die Kaiserin“ usw. Für „Das Parfum“ bekommt er zwei Preise, beide im Jahre 2007; diese sind der Bayerischer Filmpreis und der Jupiter Preis.[23]
3. Die Geschichte
Der Titel und Untertitel des Werkes informieren den Leser auf dem ersten Blick, worüber es sich in dieser Geschichte handelt. Die zwei Elemente sind aber nicht kompatibel, wenn man sie genauer anschaut. Die Frage wird aufgeworfen, was ein Parfum mit einem Mörder gemeinsam haben kann. Während der Progression der Handlung wird es dann gelüftet, dass hier die Geschichte eines unmoralischen und gewissenlosen Menschen erzählt wird, der um einen eigenen Geruch zu erschaffen, den er von Natur aus nicht besitzt, eine Reihe von jungen Mädchen ermordet. Natürlich geben die Morde, wenn man logisch denkt, keine Erklärung dafür, wie Grenouille, die Hauptfigur der Geschichte, sich einen eigenen Körpergeruch verschafft. Doch wenn man bedenkt, dass er eine nahezu himmlische Gabe des perfekten olfaktorischen Organs geschenkt bekommt, fängt man an, die Elemente zusammenzubinden. Mit Hilfe dieser Gabe realisiert er, dass jeder Mensch auf der ganzen Welt einen Geruch besitzt, der ausschließlich nur ihn charakterisiert. Es gibt keine zwei Menschen, die den denselben Geruch besitzen, deswegen ist es logisch, dass der Geruch dem Menschen einen einmaligen Charakter verleiht, und damit einen hohen Wert für die Menschheit besitzt. Ironisch ist, dass diese Hochwertigkeit des Geruches nur in Grenouilles kleiner Welt existiert, in der realen Welt dagegen keine so wichtige Rolle spielt.
Die Realisierung der Tatsache, dass die Hauptfigur keinen eigenen Duft hat, verändert sein Leben. Dieser Moment macht ihn zum eigentlichen Mörder, da er sich entschließt, egal durch welche Mittel, sich ein einmaliges Parfum zu schaffen, das dem von anderen Lebewesen weit überlegen ist. Es stellt sich heraus, er kann so einen Duft nur aus einer Mischung der Gerüche anderer Menschen komponieren. Um den Geruch anderer Personen zu bekommen, muss er sie alle töten, denn kein Mensch würde zulassen, dass jemand, den er kaum kennt, den Prozess, der sich dazu eignet, den Geruch eines Körpers zu fangen und zu konservieren, an ihm durchführt.
Grenouilles ganzer Reifeprozess ist in dieser Geschichte dokumentiert. Wie er sich die Gerüche der Welt aneignet, wie er all die Mordversuche überlebt, die auf ihn ausgeübt werden, wie er das Leben anderer beeinflusst, wie er die Morde begeht, wie er gefangen wird und wie er aus dieser Welt ohne Spur verschwindet. Jean Babtist ist ein Genie, aber ausschließlich in den Bereichen: Düfte der Welt, wie kann man alles überleben und wie man schnell und effektiv sein Ziel erreicht. Er lernt schnell wie er mit Düften umgehen soll, er macht keine Mordspläne, aber er spürt, was er in den gefährlichen Situationen tun soll, um nicht ertappt zu werden. Sein einziger Einfluss auf das Leben der Menschen, die er trifft, ist, dass nach dieser Begegnung sehr viele sterben.
Am Ende der Geschichte erreicht Grenouille sein gesetztes Ziel. Er kreiert seinen einzigartigen Geruch, einen Duft, den davor kein Mensch noch gerochen hat. Er ist so stark, dass alle, die ihn riechen, sich in die Hauptfigur verlieben. Sie können sich selbst nicht kontrollieren und handeln in einer Weise, wie sie unter normalen Umständen nicht handeln würden. In der letzten Szene kehrt Jean Babtist an den Ort zurück, wo er geboren wurde und gießt das ganze Parfum auf sich. Die Menschen, die es riechen, verlieben sich so sehr, dass sie sich davon nicht abhalten können, Grenouille zu zerfleischen. So eine Tat hört sich unmenschlich an und sie ist es auch. Die dreißig Menschen, die das getan haben, waren aber nicht entsetzt, sondern ´´ [s]ie waren außerordentlich stolz. Sie haben zum ersten Mal etwas aus Liebe getan´´ .
4. Motive des Parfums
4.1. Geburt des Todes
Es ist ungewöhnlich die Geburt, den Anfang eines Lebens, als Motiv des Todes darzustellen, und es ist sicherlich keine einfache Aufgabe, so eine gewagte Aussage mit Tatsachen zu unterstützen. Wie wir an beiden Kunstwerken sehen werden, im Buch von Patrick Süskind und in dem Film von Constantin Films, ist dieser Sichtpunkt mit konkreten Worten und Bildern zu unterlegen. Es ist logischer, die Analyse dieses Motivs mit seiner Repräsentation im Buch anzufangen, da es sich hier um eine literaturwissenschaftliche Arbeit handelt und weil man den Film besser versteht, wenn man das literarische Werk zuerst kennen gelernt hat.
„ Zu der Zeit, von der wir reden, herrschte in den Städten ein für uns moderne Menschen kaum vorstellbarer Gestank“ . In solch einer olfaktorischen Mischung von Mist, Urin, Rattendreck, verdorbenem Essen, und man könnte noch weiter aufzählen, erblickt Jean Babtist Grenouille den Sonnenlicht zum ersten Mal. Diese Beschreibung deutet schon daraufhin, dass die Gerüche in diesem Roman eine wichtige Rolle spielen; darauf wurde aber schon früher hingedeutet. Das Wort „Gestank“ hat eindeutig negative Konnotation, faule Gerüche weiterhin sind Zeichen des Todes, weil Leichen, wie jeder weiß, fürchterlich stinken, wie übrigens auch andere tote Gewebe, z.B. Pflanzen und andere Nahrungsmittel. Überraschender Weise hat auch das Wasser, Zeichen und unerlässliches Element des Lebens einen üblen Geruch, wenn es verfault ist.
„ Es stanken die Straßen nach Mist, es stanken die Hinterhöfe nach Urin, […], und so gab es Außerung des aufkeimenden oder verfallenden Lebens, die nicht von Gestank […], kein begleitet gewesen wäre“[26] ,
und es „stank“ eine ganze weitere Seite im Primärtext von der Aufzählung von Dingen mit üblen Gerüchen. Es ist als ob der Tod auf dieser einen Seite beschrieben werden würde.. Eine Passage, die die Geburt in die Hände des Todes setzt, ist wo das aufkeimende Leben erwähnt und mit negativen Gerüchen gleichgesetzt wird. Das zeigt, dass eben auch der Anfang die Konnotationen des Endes trägt. Dann wird der stinkendste Ort auf der ganzen Welt genannt, nämlich der Cimetiere des Innocents, ein Friedhof – eindeutiger Hinweis auf den Tod - wohin an jedem Tag Dutzende von Kadavern seit achthundert Jahre gebracht werden. Grenouille also wurde an einem Ort geboren, wo andere Menschen begraben werden. Wenn man die Lage des Cimetieres nicht mehr ertragen kann, schließt man den Friedhof und man errichtet einen Marktplatz an seiner Stelle. Das löst das Problem des Gestankes aber auch nicht, weil Fische an diesem Markt zerlegt werden, das wiederum zu infernalischen Gerüchen führt. Tote Fische und tote Menschen sind also die ersten, die die Geburt eines Mörders „miterleben“.
An dieser Stelle des Textes treffen wir auf ein sehr interessantes Paradox, denn Grenouilles Mutter „nahm weder den Fisch- noch den Leichengeruch wahr, denn ihre Nase war gegen Gerüche im höchsten Maße abgestumpft“[27]. Wie kommt es, dass eine Frau, die keine Gerüche wahrnimmt, einem Kind das Leben gibt, das wahrscheinlich die beste Nase aller Zeiten sein eigen nennen kann? Wenn man schon hier am Anfang bedenkt, dass Grenouille später eine Reihe von Mädchen tötet, denen er ihren Geruch stiehlt, kann man eine schön Verbindung herstellen. Jean Babtist als solches raubt schon als Embryo, als ungeborenes Kind, seiner Mutter den Sinn, der ihm durchs Leben helfen wird. Nicht nur, dass er keinen eigenen Geruch besitzt, und ihn von anderen nehmen muss, er muss auch den Sinn des Riechens von jemandem nehmen, um es zu haben. Die Tatsache, dass der Neugeborene die fünfte Geburt seiner Mutter war und die anderen vier Totgeburten waren, unterstützt auch die Idee der Geburt als Motiv des Todes. Die ganze Beschreibung von der Geburt der Hauptfigur ist negativ und eklig, aber der Autor weiß, wie er mit ein bisschen Ironie ein wenig Aufheiterung in den Text bringen kann, obwohl dieser Versuch wirklich nur ein kleines Stück Positives mitbringt. Jean Babtists Mutter wird mit Ironie beschrieben, indem Patrick Süskind die Frau folgendermaßen darstellt:
„und Grenouilles Mutter, die noch eine junge Frau war, gerade Mitte Zwanzig, die noch ganz hübsch aussah und noch fast alle Zähne im Munde hatte und auf dem Kopf noch etwas Haar und außer der Gicht und der Syphilis und einer leichten Schwindsucht keine ernsthafte Krankheit; die noch hoffte, lange zu leben, vielleicht fünf oder zehn Jahre lang, und vielleicht sogar einmal zu heiraten und wirkliche Kinder zu bekommen als ehrenwerte Frau eines verwitweten Handwerkers oder so“[28].
Wenn man diesen Textausschnitt aufmerksam liest, kann man ihn auch anders interpretieren, nämlich man könnte sagen, dass Süskind mit dieser Ironie den Schmerz der Stelle noch mehr herausheben will. Die ganze Geburtsszene von Jean Babtist Grenouille ist so schrecklich, dass auch die Ironie, die im Übrigen dazu geeignet ist, Aufmunterung und Gelächter hervorzurufen, nicht genügt, um einen positiven Gemütszustand zu kreieren. Wie gesagt es hängt von dem Leser ab, wie einer oder der andere es versteht. In dieser Textstelle sind auch typische Zeichen des Todes versteckt, wie z. B. eine unvollständige Zahl der Zähne. Schadhafte oder unvollständige Zähne sind in der Weltliteratur bekannte Zeichen des Todes. In Thomas Manns Romane sind diese Zeichen zum Beispiel an mehreren Stellen zu finden. „Der Tod in Venedig“ ist eines der Werke, wo das der Fall ist, da der Junge, in dem Gustav von Aschembach verliebt ist, auch schadhafte Zähne hat, ebenso wie in “Die Buddenbrooks“.
Auf der neunten Seite des Buches haben wir ein bezauberndees Stück literarischer Geschick, das einem nicht ganz Laien zeigt, wie gut doch Patrick Süskind auf seinem Gebiet ist. Die Hitze und der Gestank, die auf dem Fischmarkt herrschen, sind für die Mutter betäubend und sie fällt davon in Ohnmacht. Das ist natürlich etwas ganz Negatives und man könnte es auf keinen Fall mit etwas Positives vergleichen, was denselben betäubenden Charakter hat. Süskind schafft das aber, indem er diese Hitze und den Gestank mit einem Feld von Lilien und mit einem engen Zimmer vergleicht, wo zu viele Narzissen sind. Es ist schrecklich über Grenouilles Geburt zu lesen, wenn man es allein wegen einem Interesse in der Handlung liest. Aber es ist ein Genuss, wenn man sich die Mühe nimmt, es aufmerksam und analytisch zu lesen. „ Geschrei, Gerenne, /
im Kreis steht die glotzende Menge,“ .
Dieser Text ist absichtlich in zwei Zeilen geschrieben, damit man leichter feststellen kann, wie genial Patrick Süskinds Werk ist. Wir können bemerken, dass sich die Zeilen reimen und dass wir in der ersten Zeile auch eine Alliteration finden. In dieser Anfangsphase des Buches haben wir zwei Opositionspaare: die Geburt als etwas Ekelhaftes dargestellt und mit dem Tod verknüpft und die Beschreibung einer schrecklichen Fiktion mit meisterhaften literarischen Methoden.
Damit die Geburt als Motiv des Todes eine vollständige Erklärung bekommt, muss man den seriösesten Beweis nennen, wegen dessen der Anfang des Lebens von Grenouille mit dem Tod gleichgesetzt wird. Der erste Schrei, der Jean Babtists Lippen verlässt, bedeutet für seine Mutter den Tod, weil die Menschen am Marktplatz realisieren, dass sie ihr Kind sterben lassen will. Sie gibt aber auch zu, dass sie vier weitere Kinder sterben lies, deswegen wird sie zum Tode verurteilt und ihr Kopf ein paar Wochen später abgeschlagen.
Dieser Abschnitt des Buches ist essentiell für das Verständnis des Werkes, deswegen fanden auch die Produzenten des Filmes, dass es unbedingt auch in das Kinowerk eingenommen und interpretiert werden soll. Die Erzählung der Geburt von Jean Babtist Grenouille ist im Film zwischen den Minuten 3:56 - 6:35 dargestellt. Die Aufgabe dieser Arbeit ist, die Methoden der Verfilmung zu analysieren, und die korrespondierenden Stellen im Buch und Film analytisch zu vergleichen, wie es auf den folgenden Seiten auch passieren wird.
Die Szene, in der Grenouilles Geburt dokumentiert wird, besteht aus 87 „Einstellungen“ (shot)[30]. Interessant wird es zu sehen, wie die „Schnittfrequenz“ sich verändert im Laufe der Szene verändert. Die sogenannte „Einführung in die Situation“ (Establishing Shot) ist ein Teil der Geburtsszene, es spielt sich in dem Zeitraum 3:56 - 4:40 ab und es beinhaltet neun „Einstellungen“. Die Zuschauer erfahren aus dieser Szene, wo die Hauptfigur geboren wird, seine Mutter wird auch dargestellt und die genaue Zeit seiner Geburt wird auch genannt. Dieser Teil des Filmes gibt perfekt wieder, was in dem Buch beschrieben wird. Die Stimme des Erzählers hilft dem Zuschauer die wichtigsten Informationen zu identifizieren. Die ekelhafte Umgebung von Jean Babtist Geburtsort, Geburtszeit und seine Mutter werden mit Hilfe von „Totalen“ , „Halbnahen“ und „Nahen“ „Einstellungsgrößen“ präsentiert. Die „Schnittfrequenz“ ist relativ niedrig und das unterstützt den narrativen Charakter dieser Szene. Die „Nahaufnahme“ über die Mutter hebt ihr Gesicht vor, der äußerst blass ist. Sie sieht sehr erschöpft aus, obwohl sie die Geburt noch vor sich hat. Ihre Mimik deutet an, dass sie schon große Schmerzen erlitten hat, aber sie kann ihre Schmerzen gut verstecken, weil sie die ganze Prozedur des Gebärens schon vier Mal durchgemacht hat; alle vier hier hinter ihrem Fischstand. Der Fischmarkt wird in einer „Totale“ gezeigt, wodurch der Zuschauer einen genauen Überblick von diesem Ort kriegt. Man könnte auch auf die Details acht geben, aber ein allgemeines Bild ist genügend, um erfolgreich in die Handlung zu steigen. Die „Kameraperspektive“ ist die „Normalsicht“, das heißt, dass die Geschehnisse aus Augenhöhe gesichtet werden. In dieser Phase des Filmes ist das auch verständlich, weil die Hauptfigur noch nicht in der Szene erscheint. Hauptfiguren werden oft aus der „Untersicht“ gefilmt, damit man die Wichtigkeit deren oder vielleicht ihren heroischen Charakter betont. In diesem Teil haben wir es mit beiden „Kamerabewegungen“ zu tun, auch mit den „Schwenks“ und auch mit den „Kamerafahrten“ . Beide imitieren langsame Bewegungen, die wieder die erzählerische und informierende Charakteristik dieses Abschnittes unterstützen. Die fahrende Kamera verfolgt einen Mann, der einen Kasten gefüllt mit Fisch zur Mutter von Grenouille trägt. Am Ende dieser Fahrt treffen wir Jean Babtists Mutter, die Kamera wird von dem ausgeschütteten Fisch auf die Gestalt der Frau geschwenkt und an dieser Stelle haben wir es auch mit einem minimalen „Zoom“ zu tun, der eine kleine „Hinfahrt“ in die Richtung der Frau imitiert. Die Rolle der Mutter wird in dieser Weise hervorgehoben, aber nicht zu sehr, weil sie in der späteren Handlung keine sehr große Wichtigkeit spielen wird. Die Beleuchtung der Szene kann man als normal bezeichnen, die Farben wiederum haben größeren Einfluss. Diese sind hauptsächlich grau und kalt, außer der roten Farbe, die das Blut auf den Händen der Mutter heraushebt. Alle Farben repräsentieren etwas Schwarzes, etwas auf jeden Fall Negatives und Unerträgliches. Blut steht hier natürlich für den Tod, wie auch die grauen Farben. Keine einzige warme Farbe, wie zum Beispiel hellblau oder grün ist in dieser Szene zu finden. Die Lebendigkeit dieses Teils ist allein durch die Tatsache erkennbar, dass die Menschen sich bewegen. Diese Seite ist aber ein bisschen übertrieben, indem sich sehr viele Leute auf dem Markt befinden, man kann sich kaum bewegen. Diese große Menge deutet auch auf den Tod irgendwie, weil da nicht mehr genügend Raum, um ruhig und gemütlich zu leben, ist. Die Geräusche und Töne spielen eine wichtige Rolle in diesem Einführungsteil, weil sie die Aussage der Bilder unterstützen. Man hört das Geräusch des Fischmarktes, die Stimmen der Menschen, die Messer, wie man mit ihnen rohen Fleisch und Fisch schneidet. Man hört, wie der Mann der den Kasten trägt, dessen Inhalt er auf den Tisch der Frau schüttet. Diese sind alle „On-Ton“ Geräusche, weil diese Sequenz wie gesagt eine informierende Rolle spielt und keine dramatische „Off-Ton“ Geräusche benötigt werden.
Zwischen den Minuten 4:30 - 6:35 ist daraufhin die eigentliche Geburt des Hauptprotagonisten gezeigt, und dieser Abschnitt ist im Hinblick einer filmtechnischen Analyse mehr inspirierend. Es besteht aus 78 „Einstellungen“ und die „Schnittfrequenz“ ist logischerweise viel höher als vorher, was der Szene einen dramatischen und dynamischen Charakter verleiht. Der Zuschauer kommt mit mehreren „Einstellungsgrößen“ in Kontakt, als in den früheren Shots, da wir es hier auch mit „Groß“[38] und „Detail“ „Einstellungsgröße“ zu tun haben, daneben aber auch „Nahe“ und „Halbnahe“ Aufnahmen finden. Die „Großaufnahme“ des Gesichtes der Mutter vor und während der Geburt lässt den Zuschauer die Schmerzen miterleben und die „Detailaufnahme“ über die Beine und Hände der Frau während der Geburt unterstützen das Erlebnis des Ekels noch mehr. Eine Geburt ist auch unter normalen Zuständen nicht sehr schön anzusehen, aber die Hersteller dieses Filmes machen dieses Erlebnis fast unerträglich und man denkt, dass für das Kind es besser wäre zu sterben, als unter solchen Umständen zu leben. Nachdem Jean Babtist das Sonnenlicht zum ersten Mal erblickt, wird er durch „Halbtotale“, „Halbnahe“ und „Großaufnahme „dargestellt und die Geräusche und kleine Bewegungen seines Körpes deuten Schritt für Schritt auf die wichtige Rolle seiner Nase, obwohl von seiner Nase noch keine Detail Aufnahme gegeben wird. Die Sequenzen zwischen den Minuten 5:28 - 5:50 sind speziell aus filmanalytischem Sichtpunkt. Dieser ist ein Teil, wo wir 36 „Einstellungen“ finden und die „Schnittfrequenz“ ist infernalisch schnell. Eine „Einstellung“ dauert nicht mal eine Sekunde. Dieser dynamische Abschnitt zeigt an, was für Gerüche Grenouille wahrnimmt. Man bekommt ein wenig Angst und ein starkes Gefühl des Ekels kommt in einem auf. Am Ende fängt das Kind zu schreien an und es entscheidet sich für das Leben. Die Menschen am Marktplatz nehmen ihn wahr und realisieren, dass seine Mutter ihn sterben lassen wollte. Eine Folge von „Nahaufnahmen“ der Menschen zeigt, wie sie die Mutter entdecken und am Ende wird gezeigt, wie sie gehängt wird. Hier finden wir einen Unterschied zwischen dem Buch und dem Film, da im literarischen Text der Mutter der Kopf abgetrennt wird. Wir hören dass „Off-Ton“ Geräusch der Hängung der Frau. Ein anderes „Off-Ton“ Geräusch tritt ein, als das Kind geboren wird. Der Zuschauer hört, wie das Kind den Mutterleib verlässt. Dieses Geräusch ist aber zu laut und extrem abscheulich. Die „On-Töne“ verstärken den Einfluss der Bilder hauptsächlich in dem Abschnitt, wo Grenouilles Schnüffeln mit dynamischen Schnitten verfolgt wird. Die Farben sind auch in dieser Sequenz nicht anders als in den früheren. Sie sind grau und kalt, man fühlt sich unsicher, hat Todesangst und wird melancholisch. Die Kleidung und Kostüme der Protagonisten wurden bisher noch nicht erwähnt, obwohl sie wichtig sind. Die Menschen sind schmutzig und die Kleider zerrissen. Man kann sehen, wie die Umstände im 18. Jahrhundert in Frankreich waren. Der unhygienische Zustand der Stadt Paris ist an den Kostümen gut zu erkennen. Sie sind übrigens auch hauptsächlich grau und zeigen nichts Exotisches oder Lebendiges an. Erzählzeit und erzählte Zeit ist in dieser Szene nicht unterschiedlich, sondern sie stimmen überein. Für einen informierenden Abschnitt ist das aber ganz natürlich. Die Szene gibt die korrespondierenden Beschreibungen des Buches perfekt wieder, der Tod also kann als Ziel des Motivs der Geburt identifiziert werden. Die Zeichen des Todes sind ein bisschen anders, da hier keinen Friedhof gezeigt wird und der Fischmarkt im Mittelpunkt steht. Die stinkende Fiktion ist anders dargestellt, indem andere stinkende Dinge gefilmt werden, als die im Text, aber im Endeffekt wird das gleiche erreicht, in den Gefühlen von Zuschauern und Lesern. Schadhafte Zähne haben wir auch im Film, da eine der Frauen, die Grenouilles Mutter als Mörder bezeichnet, solche Zähne hat. Es ist eindeutig nach dieser Beschreibungen, dass die Geburt als Motiv des Todes in diesen Werken erscheint. Die beiden können gleichgesetzt werden, obwohl das ein großes Paradox ist, aber auf keinen Fall falsch.
4. 2. Das Mirabellenmädchen
Grenouille hat mit dem Mord an das Mirabellenmädchen seine Reihe von kaltblütigen Taten begonnen. Interessant ist, dass er seinen ersten, nicht absichtlich begeht sondern, das Opfer eines dummen Versehens ist, das mit einem Mord endet. Noch interessanter ist, dass er diesen Mord nur im Film unabsichtlich begeht, im literarischen Werk ist es umgekehrt. Er will das Mädchen umbringen, um ihren Duft zu rauben. Es ist denkwürdig, wie Grenouilles erster Mord in dem Film ganz anders interpretiert wird. Im Kinowerk ist Jean Babtist als unschuldig dargestellt, da er die schreckliche Tat wegen seines Ungeschicks realisiert. In diesem Medium ist er also nicht ganz so unmoralisch und animalisch präsentiert, wie es in Patrick Süskinds Text der Fall ist. Eigentlich ist er menschlicher gezeigt, die Möglichkeit nicht mehr zu töten ist ihm gegeben, aber er entscheidet sich dagegen. Wie ein Raubtier zum ersten Mal Blut wittert, so riecht er zum ersten Mal den himmlischen Geruch des schöneren Geschlechts. Bevor er die Quelle des Duftes findet ist er verzweifelt, weil er von Zeit zu Zeit den Geruch verliert, wegen dem alles füllenden Geruch des Feuerwerkes, das zu Feiern des Königs gemacht wird.
„Grenouile litt Qualen. Zum ersten Mal war es nicht nur sein gieriger Charakter, dem eine Kränkung widerfuhr, sondern tatsächlich sein Herz, das litt. Ihm schwante sonderbar, dieser Duft sei der Schlüssel zur Ordnung aller anderen Düfte, man habe nichts von den Düften verstanden, wenn man diesen einen nicht verstand, und er, Grenouille, hätte sein Leben verpfuscht, wenn es ihm nicht gelänge diesen einen zu besitzen.“[40]
Er realisiert, dass dieser Duft das Ordnungsprinzip seiner Welt ist und in der gleichen Zeit das Beste, was er je gerochen hat. Wie ein wildes Tier nicht ohne Blut leben kann, ist er nach diesem Erkenntnis nicht mehr fähig, ohne den gespürten Geruch zu leben. Aber Jean Babtist erlebt auch einen großen Schock an jenem Tag, da er erkennen muss, dass der Duft der Frauen nach ihren Tod verschwindet. Das versetzt ihn in eine nur sehr schwer zu lösende Situation, da er später, als er die Prostituierte töten muss, um ihren Duft zu kriegen, einsieht, dass keine Frau der Welt dazu Bereitschaft zeigen wird zuzulassen, dass er mit seinen ungewöhnlichen Methoden ihren Körpergeruch stiehlt. Er ist aber zu gierig, unmoralisch und gefühllos, sich gegen die Mordserie zu entscheiden. Grenouille nimmt sich in diesem Moment vor zu lernen. Er will lernen, wie man Duft konservieren kann und um ihn in diese Lehre einzuführen, eignet sich der Parfumeur Baldini perfekt.
„Am 1. September 1753, dem Jahrestag der Thronbesteigung des Königs ließ die Stadt Paris am Pont Royal ein Feuerwerk abbrennen“[41] und genau diesen Tag hat Grenouille ausgewählt sein erstes Mädchen zu töten. Als ob die Menge ihn feiern würde, als ob die Menschen seine Thronbesteigung feiern würden. Hier haben wir ein Motiv der Dekadenz, weil die Bewohner von Paris an dieser Stelle, unbewusst, den Anfang einer schrecklichen Mordserie bejubeln. Aber das ist nur eine Seite dieses Motivs, die andere kann auch mit historischen Daten und Fakten unterstützt werden. Paris feiert wie gesagt die Thronbesteigung des Königs, aber sie wissen noch nicht, dass dieser König sie später in eine Revolution regieren wird. Die Unzufriedenheit der Menschen wird so groß sein, dass sie keinen anderen Ausweg mehr finden werden können, außer der Revolution. Diesen Tag könnte man also als den Tag der Anfang der Ende bezeichnen, der paradoxer Weise auch noch gefeiert ist. Der Leser muss eben an dieser Stelle des Textes realisieren, dass Grenouille auch etwas Menschliches in sich trägt und nicht total unter dem Einfluss des Teufels steht. Er tötet zwar, aber der Autor zeigt, dass er auch leiden kann. Er kann Schmerz in seinem Herzen empfinden. Die völlig Unmoralischen und Verkommenen sind dazu nicht im Stande. Traurig ist nur, dass Grenouille dieses Leiden natürlich nicht mehr empfinden will, deswegen entscheidet er sich, den Duft des jungen Mädchens mit Gewalt zu nehmen. Er muss es mit Gewalt tun, weil er so antisozial ist, dass er nicht im Stande ist, die Quelle des Duftes mit Liebe zu erobern, um ihr Essenz ein Leben lang genießen zu können. Das ist aber etwas, was man leicht verstehen kann, wenn man bedenkt, dass er sein ganzes Leben lang zwischen Menschen lebte, die ihm nicht zeigen konnten, was Liebe bedeutet und wie man das macht. Grenoilles verzweifeltes Suchen um die Quelle des Duftes ist in einem langen Satz beschrieben, der aber viele Teilsätze hat, die voll mit Verben sind. Das ist also eine dynamische Stelle im Text, welche den aufgebrachten Seelenzustand des Hauptprotagonisten signalisieren soll. Er sucht nach jenem Etwas, von dem er weißt, dass es aus seinem Leben am meisten fehlt, nach jenem Etwas, der seinem abscheulichen Dasein Sinn und Ziel gibt. Grenouille will über den Duft Besitz ergreifen und das schließt die Liebe schon am Anfang aus. Wer liebt, der darf den anderen nicht besitzen wollen, kein Teil von ihm, nicht mal den Duft. Das achte Kapitel, in dem Jean Babtists Erfahrungen mit dem Mirabellenmädchen dokumentiert sind, enthält wieder Motive und Symbole des Todes und des Teufels. Grenouille will „das apotheotische Parfum ins Kuddelmuddel seiner schwarzen Seele pressen“ , und das Mädchen empfindet seine Gegenwart„ als habe jemand eine Tür aufgestoßen, die in einen riesengroßen kalten Keller führt“ , woraus die Symbole der negativen Existenz eindeutig zu entziffern sind. Das physische Aussehen des Mädchens kann aus zwei Sichtpunkten gedeutet werden. Die rote Farbe seiner Haare kann als Zeichen des Todes aufgefasst werden, da diese mit der Farbe des Blutes verglichen werden kann. Aber eine Interpretation als Zeichen der Liebe und der Begierde ist auch möglich, wobei das nicht sehr wahrscheinlich ist, wegen der Tatsache, dass Grenouille keine Lust gegenüber seinem Opfer empfindet und Liebe schon gar nicht. Ihre extrem weiße Haut kann wieder verschiedene Bedeutungen haben, weil sie sowohl die perfekte Reinheit als auch den Tod symbolisieren kann, da Leichen auch weiß sind. Es ist trotzdem wahrscheinlicher, dass wir es hier mit dem ersten Fall zu tun haben, weil die Unschuldigkeit diesem Mädchen den fenomenalen Duft gibt, der Grenouille so verzaubert. Aber der Hinweis auf den bevorstehenden Tod ist nicht zu übersehen.
Als die Raketen „weiße Lilien an den schwarzen Firmament“[44] malten, so schmückt Patrick Süskind seinen Text mit dem schönen Schmuck der Sprache. Alliterationen sind seinem ganzen Werk lang unerlässlich, deswegen finden wir auch in diesem Kapitel Erscheinungen von „ hohen Häuser[n]“ , „schwerem Schweiß“ und „ kalten Keller[n]“ . Das Feuerwerk bringt Helle und Klarheit in die schwarze Pariser Nacht, ebenso wie der Duft des Mirabellenmädchens Ordnung und System in das unorganisierte Duftlexikon von Grenouille bringt. Motive der Gegensätzlichkeit sind leicht in dem Text zu finden, dass normal ist, wenn der Leser bedenkt, dass Jean Babtist das Paradoxe in Person ist. Er ist eines der größten Genies aller Zeiten, und er ist wahrscheinlich auch eines der unmoralischsten Wesen der Geschichte der Menschheit. Ebenso wie er selbst, ist der Duft, den er genießt gegensätzlich. Es ist „eine Mischung aus beidem, aus Flüchtigem und Schwerem“ , „ „Zartheit, Kraft, Dauer, Vielfalt und erschreckende, unwiderstehliche Schönheit“ sind die Charakteristiken dieses Geruches. Schönheit als erschreckend zu bezeichnen, ist etwas Eigenartiges für einen Laien, aber der analytische Leser entdeckt in dieser Wortkombination die Genialität des Autors.
Motive und Hinweise auf die Architektur und auf die Musik findet man im achten Kapitel an mehreren Stellen. Der Erzähler spricht über eine perfekt „gefügte innere Festung der herrlichsten Duftkompositionen“[50]. Die Rolle der Musik in Süskinds Leben ist schon in der Biographie des Autors zu finden. Die Architektur aber ist etwas unerwartet oft Benutztes. Wir lesen über eine innere Geruchsgebäude in Grenouilles Seele, das sich nach der Entdeckung des ordnenden Prinzips rasch verwandelt und immer perfekter wird. Gebäude sind natürlich mit den Augen zu genießen. Der Autor will mit diesem Motiv einen Kontrast kreieren, der den überall im Roman zu findenden Sinn des Riechens ein bisschen in den Hintergrund versetzt und den Sinn des Sehens hervorhebt. Die Architektur als Motiv ist auch in anderen Textstellen des Romans zu finden, aber dieses Thema wird erst später in dieser Arbeit als separates Kapitel behandelt.
Religiöse Motive erscheinen auch früher im Roman aber das Motiv des Schöpfers finden wir in diesem Kapitel zum ersten Mal wieder. Grenouille betrachtet sich selbst als Schöpfer, als Schöpfer der Düfte. Die Gegensätzlichkeit dieser Benennung ist eindeutig, da die positive Seite des Schöpfertums in Jean Babtists Fall gar nicht existiert. Wenn man etwas schöpft, heißt es, dass man etwas Schönes und Wertvolles mit von Gott bekommenen Gaben und Gnade in die Existenz ruft. Unsere Hauptfigur aber schafft seine Kreationen unmöglich aus Gottes Gnade. Er bekommt sein Talent vom Teufel, da er sich gegen die Liebe und für das Leben entscheidet. Es mag zwar wahr sein, dass er himmlische Düfte realisiert, aber damit kann er seine schlimmen Taten nicht gutmachen. „ Dass am Anfang dieser Herrlichkeit ein Mord gestanden hatte, war ihm, wenn überhaupt bewusst, vollkommen gleichgültig“[51], eine Wahrheit, die zeigt, wie unmoralisch Jean Babtist Grenouille ist. Blumenmotive sind in diesem Kapitel präsent, wie in einigen früheren Stellen. Wasserlilien, Narzissen, Aprikosenblüte und Lilien sind erwähnt, die als Elemente eines Vergleiches benutzt werden, in Mitte dessen der Duft des Mädchens steht. Eigentlich sind für Jean Babtist Blumen und Mädchen gleichrangig. Er will von beiden nur das eine haben, ihren Duft, deswegen sind die Morde für ihn, als ob er Blumen pflücken würde.
Die Bedeutung dieses ersten Mordes zeigt die Tatsache, dass es auch in den Film eingenommen wird und zwischen den Minuten 17:10 - 25:32 präsentiert ist. Diese Sequenz besteht aus 130 „Einstellungen“, die sich auf die verzweifelte Suche Grenouilles konzentrieren und auf den Tod des jungen Mädchens. Fast jede „Einstellungsgröße“ erscheint in dieser Szene außer der „Amerikanischen“. Der Akzent liegt auf „Detail“ und „Groß“ Aufnahme, weil die Mimik und Gestik eine wichtigere Rolle hier spielen als sonst in dem Film. Die Personen sprechen fast gar nicht, nur das Mädchen ohne Namen sagt ein paar Sätze, als sie Grenouille Mirabellen anbieten möchte. Jean Babtists Gesicht wird die ganze Sequenz lang in Großaufnahme gezeigt, weil seine Reaktionen auf den Duft und die Worte des Mädchens hervorgehoben werden sollen. Als er realisiert, dass er sie getötet hat, erscheint die Verzweifelung auf seinem Gesicht, er will weglaufen, doch er wird vom Duft überwältigt und entschließt sich, zu bleiben. Das Erschrecken auf dem Gesicht des Mädchens, als es Grenouille hinter seinem Rücken entdeckt, ist auch mit Großaufnahme gezeigt. Während die Hauptfigur nach ihm sucht, sehen die Zuschauer die Körperteile des Mädchens und seine Beine in Detail. Die Beine sind so gezeigt, damit sie die Eile eindeutig machen. Das Mädchen können wir am Anfang nur aus den separaten Aufnahmen ihrer Körperteile kennen lernen. Ihr Gesicht erscheint auf der Bildfläche noch nicht. Als er sie zum ersten Mal erblickt, nähern wir uns ihr mit Hilfe von einen „Halbtotalen-, Halbnahen-, Nahen-„ und Detailaufnahme“ die schnell nacheinander geschnitten sind. An einer Stelle verliert er sie, weil sie sich vor ihm fürchtet und wegläuft. Hier wird die feiernde Menge durch eine Totale präsentiert und wir haben ein Panorama über dem Feuerwerk am Himmel. Grenouille findet sie natürlich und schleicht sich an. Eine Reihe von Details folgt, die Jean Babtists Nase, Mund und Auge zeigen und ebenso die Körperteile des Mädchens, um die Stellen zu zeigen, auf die sich sein Riechorgan konzentriert. Dieser Prozess ist genauso dargestellt, wie es im literarischen Werk steht. Gegen das Ende der Szene kommen die Details wieder vor und sie haben die gleiche Rolle wie vorher, sie präsentieren wie er den toten Körper olfaktorisch bewundert und genießt. Die Sequenz endet mit einer „Großaufnahme“ des Gesichtes des Mädchens. Man kann den Tod in diesem Bild förmlich spüren. Es wird einem tatsächlich kalt, wenn man das starre Gesicht erblickt, in dem kein Zeichen des Lebens mehr zu finden ist. Wie schon gesagt in dieser Szene spielt die Mimik eine enorme Rolle. Von Grenouilles Gesicht kann man alles ablesen, was er empfindet. Er ist verzaubert vom Duft des Mädchens, seine Augen sind starr wie die eines Toten, als sie ihn anspricht, man kann an ihm sehen, wie sehr er das klare Parfum des Mädchens genießt. Die Angst erscheint auf ihrem Gesicht, als sie Grenouille erblickt. All diese Gefühle und Reaktionen sind mit Hilfe der „Großaufnahmen“ dargestellt.
Die Kameraperspektiven wechseln sich ständig während dieser Sequenz und geben dem Zuschauer vor, wie er die Aktionen sehen soll. Grenouille und das Mirabellenmädchen stehen natürlich im Mittelpunkt der Szene und diese beiden Personen werden aus „Aufsicht“[52], „Untersicht“ und „Normalsicht“ gezeigt. Grenouille wird aus allen drei Perspektiven gezeigt. Am Anfang der Szene sehen wir ihn aus der „Untersicht“, dann aus Normalsicht und in einem Moment aus extremen Aufsicht („Vogelperspektive“ ). Mit dieser letzten Kameraperspektive wird den Zuschauern klar, dass sich Grenouille hier klein macht, um sich unbemerkt unter die Menschen mischen zu können. Er macht das, um die Quelle des Duftes möglichst unbemerkt suchen zu können. An dieser Stelle werden seine Schritte schneller, er ist mit einer Raubkatze zu vergleichen, die eine Gazelle zu jagen beginnt. Die macht sich auch sehr klein, versteckt sich im Gras und achtet darauf, sich leise und unbemerkt zu bewegen. Das Mädchen sieht Grenouille aus einer gesenkten Perspektive an, womit der Regisseur ihren Opfer Status signalisieren möchte. Als Jean Babtist die Hände des Mirabellenmädchens gierig zu riechen anfängt, wird sie aus einem extrem gesenkten Kamerastandpunkt gefilmt, damit der Zuschauer realisiert, dass Grenouille unter dem Einfluss von ihrem Duft steht und dass er sie bewundert. Danach ist sie fast immer aus einer erhöhten Perspektive gezeigt, was wieder das Gefühl in dem Zuschauer stärkt, dass irgendetwas Schlimmes mit ihr passieren wird und dass sie ihm unterlegen ist. Als sie dann stirbt, wird der Prozess, in dem Jean Babtist sie olfaktorisch erobert, aus einer extrem hohen Perspektive gezeigt. Die Kamerabewegungen haben natürlich Relevanz auch in dieser Szene. Die Kamerafahrten verfolgen hauptsächlich die Bewegungen Grenouilles, zeigen seine Eile. Während dieser Fahrten wird die Umgebung unklar und der Zuschauer kann sich nur auf die Figuren konzentrieren. Die Kameraschwenks dagegen haben das Mirabellenmädchen im Mittelpunkt. Es wird veranschaulicht, wie Jean Babtist ihren Körper mit seiner Nase bewundert. Es wird mit den Schwenks gezeigt, worauf Grenouilles Riechorgan sich konzentriert. Im Allgemeinen veranschaulichen die Schwenks die Bewegungen der Augen eines Charakters, aber in diesen Fall ersetzen sie die Nase des Protagonisten.
In der ersten analysierten Szene hat die Beleuchtung noch keine so wichtige Rolle gespielt, im Gegensatz zu dieser Sequenz, wo sie eine große Aussagekraft besitzt. Die Szene spielt in der Nacht, deswegen ist das Verhältnis Schatten-Licht sehr wichtig. Grenouilles Gesicht wird fast immer so gefilmt, dass die eine Hälfte beleuchtet ist und die andere im Schatten steht. Das signalisiert, dass seine Existenz zwei Pole hat. Er ist Genie und kaltblütiger Mörder in derselben Person. Das Mädchen, so wie der Zuschauer, weiß nicht was sich in dem Schatten verbirgt. Man kann nur ahnen, dass etwas Negatives dahinter versteckt ist, und man fühlt, dass das Mädchen das Opfer dieser Schattenseite sein wird. Das Mirabellenmädchen ist immer klar beleuchtet, es hat keine Schattenseite. Grenouille weiß, wie er die Dunkelheit nutzen kann, um in ihre Nähe zu geraten. Er versteckt sich, und obwohl er in der Bildfläche steht, sieht der Zuschauer ihn nicht, ebenso wie das Mädchen ihn nicht bemerken kann. Er ist ein Meister der Tarnung. In dieser Szene haben wir extrem wenig Licht, das zum einen motiviert ist, da es Nacht ist, zum anderen aber darauf hinweist, dass etwas Schlimmes passieren wird. Jean Babtist, wie der Tod selbst, kommt unerwartet und unbemerkt, damit man sich nicht vorbereiten kann. Man hat nur ein Gefühl, wie das Mädchen die Kälte fühlt, dass man nicht in Sicherheit ist. Die Farben sind eintönig und meistens grau. Die einzige Person der warme Farben mit sich bringt, ist das Mirabellenmädchen. Seine roten Haare sind als Abwechslung zu sehen, das Gelb der Mirabellen ist eine lebendige Farbe unter den kalten und melancholischen Farben der Szene. Die Bedeutung und Interpretationsmöglichkeiten dieser Farben wurden schon im ersten Teil dieses Kapitels erläutert. Die Farben veranschaulichen, dass dieses Mädchen die einzige Person in dieser Szene ist, die so richtig voll von Leben ist. Selbst ihr graues Kleid ist heller und lebendiger als die Kleider der anderen Menschen. Die Weiße ihrer Haut deutet wie gesagt auf ihre Unberührtheit und Unschuld hin. In dem Moment, wo Grenouille zum ersten Mal den Duft des Mädchens riecht, fängt ein himmlischer Gesang an. Es ist als ob die Engel singen würden. Es ist wie der Gesang der Liebe selbst. Das hört nur für wenige Sekunden auf, als Jean Babtist sie vor der Nase verliert. Aber als er sie dann wieder findet, hören die Zuschauer den Gesang wieder. Dieser Ton hört auf, als Grenouille sich hinter das Mädchen schleicht. Man hört nichts, es ist absolute Stille. Das ist wichtig, weil man die Gefahr, die in der Person von Grenouille lauert, förmlich spüren kann. Der Schrei des Mädchens beendet diese Stille und danach kommt ein Liebespaar und er muss sich und sie verstecken. Als Jean Babtist bemerkt, dass der Duft langsam verschwindet, hören wir einen rhapsodischen Ton der Verzweifelung. Seine Reaktion ist interessant. Er kann seinen Atem nicht kontrollieren, er schwitzt, er fängt fast zu weinen an. Er sieht aus, als ob er einen Liebesakt hinter sich gebracht hätte. Das ist irgendwie auch wahr. Er hat den Duft geliebt. Man kann Unterschiede zum Buch finden in dieser Szene. Im literarischen Text zum Beispiel ist das Mädchen nicht fähig zu schreien, als es ihn hinter sich bemerkt, im Film aber muss er sie daran hindern. Im Buch wird Grenouille von niemandem gestört, hier dagegen erscheint ein Liebespaar und er tötet sie aus Versehen, da er sich nur verstecken will. Er hält ihren Mund zu, doch er realisiert nicht, dass er sie dabei erstickt. Alles in allem kann man sagen, dass Grenouille in dem Film viel menschlicher und unschuldiger erscheint als im literarischen Werk.
Ein interessantes Motiv erscheint in dem Bild, nämlich das Messer des Mädchens, mit dem es die Mirabellen schneidet. Es sieht wie eine große Kralle eines Raubtiers aus. Löwen und Tiger haben solche Krallen karom. Aber man kann in diesem Messer auch die Sense des Todes sehen. Ein anderes Motiv wäre, dass das Mädchen die Kerne der Mirabellen entfernt, wie auch Grenouille ihren Duft rauben und so ihre Seele besitzen will. Er entfernt also den Kern, die Essenz des Mädchens.
Erzählzeit und erzählte Zeit unterscheiden sich auch in dieser Szene nicht. Die Geschehnisse werden chronologisch erzählt und wir haben es hier weder mit Zeitraffung noch mit Zeitdehnung zu tun. Der Zuschauer verfolgt Jean Babtists Taten Schritt für Schritt, man sieht wie er das Mädchen sucht, wie er sie findet und wie er sie aus Versehen tötet. Den so genannten Liebesakt können wir auch in Detail sehen, alles passiert On-Screen sozusagen.
4. 3. Innere und äußere Festungen
Gebäude, Mauern, Straßen sind Elemente und Produkte der Kunst der Architektur. Aber wieso sind sie relevant, wenn hier doch Das Parfum analysiert wird? Die Antwort auf diese Frage ist gar nicht so schwer. Sie dienen in diesem Film und Roman als Motive, die den Zuschauern und Lesern Hinweise auf einige wichtige Informationen der Werke geben. Zum ersten sollen wir unbedingt erwähnen, dass Grenouilles inneres Inventar von Düften und Gerüchen oft mit einem Gebäude, einem Schloss verglichen wird. Das bringt uns zu der Schlussfolgerung, dass es bestimmt kein Fehler ist, sich mit der Analyse der Elemente der Architektur ernster zu beschäftigen. Die Gebäude, die entweder im Roman beschrieben oder im Film gezeigt werden, zeigen ebenso wenig Harmonie und Perfektion wie die Protagonisten der Werke. Denken wir nur an Giuseppe Baldini oder eben an Jean Babtist Grenouille selbst. Wir können mit dem Haus von Giuseppe Baldini unsere Analyse beginnen. Er, der sein ganzes Leben lang sich darum bemüht etwas zu realisieren, das ihn verewigt, kauft ein Haus auf einer Brücke, nämlich auf den Pont au Change. Schon diese Tatsache ist ein wenig merkwürdig. Ein Haus, das auf einer Brücke gebaut ist, kann unmöglich so stabil sein, wie ein Haus, das auf dem Festland steht. Doch Baldini wurde damals, als er das Haus gekauft hat, schwach, weil es ineiner Straße steht, wo die feinsten Läden von Paris zu finden sind. Er wollte unbedingt zu diesem exquisiten Viertel der Stadt gehören. Sein zweiter Fehler war, dass er ein Haus an dem Ufer der Brücke gekauft hat, von wo er den ganzen Tag lang nur den wegströmenden Fluss sieht. Alles strömt von ihm weg, er hat ständig das Gefühl, dass er die Kontrolle verliert. Die Kontrolle über sein Leben, die Kontrolle über sein Schaffen, die Kontrolle über sich selbst. Der dritte Fehler war, dass er ein Haus gekauft hat, das sehr schmal und instabil gebaut wurde. Er müsste in ständiger Angst leben, aber er spürt die Gefahr nicht. Er ist davon überzeugt, dass sein Haus noch sehr lange stehen wird. „ Sein Schicksal ist, dass er, […], sein Lebtag auf der Brücke des Wechsels wohnen und mitansehen muss, dass alles fließt“[55], alles von ihm wegfließt, alles sich verändert. Nur er, Giuseppe Baldini bleibt stehen, nur er bleibt unverändert. Ein Gefühl der Nutzlosigkeit und Machtlosigkeit wird in ihm wachgerufen. Allein durch seine eigene Kraft kann er sich nicht fortbewegen. Überraschender Weise ist es eben Grenouille, der ihm helfen wird, weiter zu machen. Baldini ist verzaubert von Jean Babtists göttlichem Talent. Hoffnung wird in sein Leben gebracht, als Grenouille bei ihm auftaucht. Er macht große Pläne. Der Junge will lernen und er ist dazu fähig ihn zu lehren. Doch er verlangt einen Preis. Er nimmt am Ende, als Grenouille weggeht ihm eine olfaktorische Beichte ab. Er diktiert Baldini hunderte von herrlichen Parfum Formel. Baldini ist glücklich, als er sich schlafen legt, und ahnt nicht, dass er Gottes Welt zum letzten Mal erblickt hat. Jean Babtist bekommt, was er von ihm haben wollte, und verlässt ihn. Doch das bedeutet den Tod für Baldini, da alle Menschen, die Grenouille in irgendeiner Weise ausnutzen wollen, sterben in dem Moment, als er aus ihrem Leben tritt. Die Natur signalisiert, was mit Baldini passieren wird. Bevor Jean Babtist in seinem Leben erscheint, beschließt er sein Haus zu verkaufen und nach Italien zu ziehen. Da erscheint ihm der Fluss in goldener Farbe und er hat das Gefühl, als würde das Wasser ausnahmsweise auf ihn zufliesen, doch es „erstarrt bald darauf zu einer aschgrauen Silhouette“ . Die Zeichen sind einfach zu interpretieren. Der anscheinend rückwärts strömende Fluss bedeutet, dass sein Leben sich ändern kann, es bedeutet Hoffnung und Erlösung. Die goldene Farbe unterstützt diesen Gedanken noch mehr. Doch dann ist diese kurze Einbildung vorbei und Baldini sollte realisieren, dass er bald hoffnungslos verloren geht. Baldini ist in dem Moment zum Scheitern prädestiniert, als er das Haus kauft. Dieses Haus ist nämlich ein Ort, wo sich nichts bewegt. Es ist „zum Bild des unschöpferischen, des toten Lebens geworden und der Hauskauf zur Metapher der Stagnation“ . Doch für Grenouille bedeutet das Haus genau das Gegenteil. Er kann in den verschlossenen und dunklen Räumen prächtig arbeiten. Er kann, von der Außenwelt isoliert, in Ruhe lernen und Pläne machen. Es ist der perfekte Ort für ihn. Dieses Haus hat große Ahnlichkeit mit seinem inneren Schloss, den er Tag für Tag erweitert und perfektioniert von dem Moment an, wo er das Ordnungsprinzip gefunden hat. Dieses Prinzip war das Mirabellenmädchen. Nach seinen Erfahrungen mit ihr, fängt er an die schlechten und guten Gerüche zu unterscheiden und zu sortieren.
„Und bald schon konnte er beginnen, die ersten planvollen Geruchsgebäude aufzurichten: Häuser, Mauern, Stufen, Türme, Keller, Zimmer, geheime Gemächer… eine täglich sich erweiternde, täglich sich verschönernde und perfekter gefügte innere Festung der herrlichsten Duftkompositionen“ .
Er beginnt mit dem Bau seines inneren Schlosses, der sich aus einem Chaos von tausenden von Düften und Gerüchen erhebt. Doch in dem Gebäude seiner Seele befindet sich kein Zeichen des Lebens. Dort ist nichts außer Duft zu finden. Grenouille ist irgendwie mit Baldini zu identifizieren, der auch den ganzen Tag lang in sein Haus sitzt und versucht neue Parfums zu kreieren. Doch da ist ein großer Unterschied. Baldini ist nicht allein. Er hat eine Frau und einen treuen Mitarbeiter Chenier, der ihm Gesellschaft leistet. Grenouille hat niemanden in seinem Schloss und will auch niemanden haben. Er ist in seinem Inneren sicher vor allem vor uns allen, aber das kostet ihm sehr viel. Es mag wahr sein, dass er keine Angst haben muss, aber dafür muss er auf Liebe und Zuneigung verzichten. Diese Tatsache reduziert den Wert seines Daseins, da er nicht fähig ist, mit Menschen zu leben und Kontakte zu schaffen. Deswegen kann auch sein Talent nicht als etwas Positives betrachtet werden. Er will zwar die Welt der Düfte revolutionieren, was in sich gut ist, da die Geruchsverhältnisse und Hygiene des 18. Jahrhunderts viel zu wünschen übrig lassen, doch das alles wird in etwas Negatives verwandelt bei der Tatsache, dass Jean Babtist, um sein Ziel zu erreichen, Menschen tötet.
Damit wir aber uns weiterhin mit der Architektur der Werke beschäftigen, sollten wir über die Wohnzustände von Grenouilles wichtigsten Opfern reden. Diese sind das Mirabellenmädchen und Laure Richis, das erste und das letzte seiner Opfer. Das Mirabellenmädchen tötet er zuerst, als er noch in Paris wohnt, und als er sich schon in Grasse befindet tötet er auch Laure Richis. Laure ist das letzte Mädchen das er tötet, und mit ihrem Duft kann Grenouille seinen Parfum perfektionieren.. Beide leben in Gebäuden, die ziemlich gut versteckt sind und schwer einzunehmen. Das erste Mädchen lebt in einem Hinterhof des Hinterhofes, hinter mehreren Mauern. Doch das bereitet keine sehr großen Probleme für unseren Helden, da er kein Augenmensch sondern ein Nasenmensch ist. Er orientiert sich mit Hilfe seiner Nase und da Gerüche durch Mauern nicht aufgehalten werden können, findet er seine Opfer. Laure wird von ihrem Vater gut versteckt, damit Jean Babtist sie nicht findet. Sie wird hinter vielen Mauern eingeschlossen, in einen Raum, der nur durch ein einziges Zimmer betreten werden kann. Dieses Zimmer ist von Laures Vater besetzt und die Schlüssel sind auch bei ihm. Er ist also absolut sicher, dass seiner Tochter nichts passieren kann. Er täuscht sich aber, da er damit nicht rechnet, dass Jean Babtist ein Nasenmensch ist. Die eben erwähnten Gebäude sind wie Grenouilles innere Festung als sichere und unzugängliche Plätze dargestellt. Die Farben sind Grau und unfreundlich so im Buch wie im Film. Sie geben einem ein schweres und unsicheres Gefühl, weil sie so dunkel präsentiert sind. Diese Weise der Darstellung ruft in den Zuschauern und Lesern ein Gefühl hervor, dass etwas Böses und Schlechtes in der Luft liegt. Die Zeichen des Todes sind in diesen Gebäuden eingebaut. Die dicken Mauern geben wahrlich ein Gefühl der Sicherheit, doch zugegebener Weise auch die Ahnung, dass wenn etwas schlimmes passieren würde, man nicht flüchten könnte. Das ist im Endeffekt auch der Fall, da Grenouille das erste Mädchen unbemerkt töten kann, und es kann nicht fliehen. Laure kann ihrem Tode auch nicht widerstehen, da sie von seinem Vater eingeschlossen wird in ein Zimmer, das nur einen Eingang hat. Sie kann also vor Grenouille nicht weglaufen.
In dem Film sind die schon erwähnten Gebäude auch präsentiert und die Wiedergabe dieser nach den Beschreibungen des literarischen Werkes ist ausgesprochen authentisch. Das erste Kunstwerk der Architektur, das in dem Kinowerk den Zuschauer aufmerksam macht, ist die Brücke, Pont au Change und Giuseppe Baldinis Haus, der auf dieser Brücke steht. Diese Gebäude sind in einem kurzen Abschnitt des Filmes zum ersten Mal gezeigt, der zwischen den Zeitkoordinaten 26:16-26:46 steht. Dieser Teil ist bloß aus drei Einstellungen zusammengesetzt. In der ersten Einstellung verfolgt die Kamera ein Boot, das sich der Brücke nähert, mit einer längeren Aufnahme der Brücke selbst. Das Boot bewegt sich Fluss abwärts, also in die Richtung, in die sich das Wasser bewegt. Diese Bewegung hat einen wichtigen Aussagewert, da sie eindeutig zeigt, dass die Handlung auf etwas Wichtiges zusteuert. Die Zeit, die Grenouille mit dem Parfumeur Baldini verbringt, hat eine außergewöhnlich wichtige Rolle, wenn wir an Jean Babtists Entwicklung denken. In diesem Zeitabschnitt lernt er die Welt der Düfte auch theoretisch kennen. Er lernt, wie man die Essenz einiger Körper gewinnen und konservieren kann. Doch diese Zeit ist in dem Leben seines so genannten Meisters auch bedeutend, da sich vieles verändert. Dank Grenouille gewinnt Baldini seinen alten Ruf wieder. Fabelhafte Parfums entstehen in seinem „Labor“, die aber nicht von ihm ausgedacht und realisiert wurden, sondern von seinem Lehrling. Diese Tatsache ist und darf aber von niemandem entdeckt werden. Beide Personen bekommen, was sie von ihrem Verhältnis erhofft hatten. Doch das Ende ist nur für Grenouille positiv, da Baldini, nachdem sie sich trennen, stirbt. Am Anfang und am Ende dieses Zyklus steht die Aufnahme der Brücke. Motivisch betrachtend können wir behaupten, dass wir es hier mit einer Brücke zu tun haben, die sich zwischen Leben und Tod befindet. Giuseppe Baldini ist auch nur eine Brücke in Grenouilles Leben, die er überqueren muss, um weiter gelangen zu können. Grenouille kann auch als Übergang gesehen sein, der Baldini aus dem Leben ins Reich des Todes leitet. Die Pont au Change ist also ein kompaktes Motiv in diesen Werken, da es den Tod, das Leben und den Übergang symbolisiert. Es ist auf jeden Fall eine Brücke des Wechsels, weil darauf immer etwas passiert. Die zweite Einstellung ist auch eine Aufnahme der Brücke, aber sie konzentriert sich mehr auf die Straße, die sich darauf befindet. Diese Straße ist voll mit Läden, sie ist die berühmteste Einkaufsstelle von Paris. Die dritte Einstellung hat Baldinis Geschäft im Mittelpunkt, das sich auf der linken Seite der Brücke befindet, was nicht ganz ideal für den Parfumeur ist. Er muss nämlich den ganzen Tag lang betrachten, wie alles von ihm wegfließt. Dieses ständige Wegfließen ist ein Motiv des unaufhaltsamen Wechsels, gegen den Baldini absolut keine Macht hat. Er kann mit der raschen Veränderung der Welt nicht Stand halten, deswegen fällt er in eine immer tiefere Melancholie. Er zieht sich jeden Tag in seine Arbeitszimmer zurück, um neue Düfte zu schaffen, doch das Resultat ist immer das dasselbe. Er hat seine Kreativität verloren und kann seinen ehemaligen Erfolg aus eigener Kraft nicht mehr erreichen.
In der ersten Einstellung haben wir eine Kombination mehrerer Einstellungsgrößen. Zuerst wird ein Boot gezeigt durch eine „Halbnahe“ Größe, dann wechselt die Einstellungsgröße auf die „Halbtotalen“, aber wir sehen immer noch das Boot, in der dritten Phase haben wir eine Panorama Aufnahme, die unsere Konzentration auf die Pont au Change selbst leitet. In dieser dritten Phase stehen also nicht mehr das Boot und die darin stehenden Menschen im Mittelpunkt, sondern die Brücke und der strömende Fluss. Das Boot ist sowieso nur ein Element, das den Zuschauern hilft die Handlung verfolgen zu können. Ein direkter Schnitt von Grenouilles Gesicht, das am Ende der Einstellung gezeigt wird, der unmittelbar vor der Aufnahme steht, in der die Brücke im Zentrum des Interesses liegt, auf dem Pont au Change, wäre zu verwirrend für den Zuschauer. Aber mit der langsamen Kamerabewegung, die das Boot verfolgt, haben wir es hier mit einer schönen Überführung in die nächste Phase der Geschichte Grenouilles zu tun. Die zweite Einstellung dieser Sequenz zeigt wie gesagt die Straße, in der Baldinis Laden liegt, durch eine 4 Sekunden lange Panorama Aufnahme. Die dritte Einstellung stellt Giuseppe Baldinis Geschäft im Mittelpunkt mit Hilfe einer Totalen Aufnahme über dieser. Diese Sequenz hat außer ihrem wichtigen Beitrag zu dem Funktionieren der Motivik auch eine andere Rolle. Sie macht dem Zuschauer klar, wo sich die folgenden Aktionen abspielen werden, nämlich im Haus des Parfumeurs auf der Brücke Pont au Change. Der Ort der weiteren Handlung wird also gesetzt.
Was die Kameraperspektiven betrifft, ist etwas Interessantes zu bemerken. Die erste Perspektive über das Boot ist eine extreme Aufsicht. Es wird vertikal von oben gefilmt, das ein Zeichen dessen sein kann, wie hilflos die Menschen sind, die demnächst ins Bild treten werden. Giuseppe Baldini ist die wichtigste unter diesen Personen. Dann wird das Boot aus einer wenig erhöhten Perspektive gezeigt, die Brücke sehen wir aus Normalsicht und die Straße aus einer erhöhteren Perspektive. Die eben genannten Einstellungen enthalten ausschließlich Kameraschwenks, deswegen ist die Dynamik der Sequenz ganz niedrig. Das ist eine Stelle, wo die Erzählung im Vordergrund steht; Tatsache unterstützt durch die Stimme des Erzählers, die im Tonband erscheint. Die Beleuchtung hat keine außergewöhnlichen Eigenschaften an dieser Stelle, da das Tageslicht als Lichtquelle fungiert. Die Tageszeit, in der wir uns befinden, ist am Morgen, deswegen dominiert die graue Farbe. Der Himmel ist bewölkt, was zu den aschgrauen Farbpaletten auch noch beiträgt. Daneben haben wir auch noch die braune Farbe, die mehr oder weniger dominiert und im Boot erscheint orange, aber all diese haben eine negative Wirkung, da sie eigentlich eher so genannte tote Farben sind. Die Musik, die diese Aufnahmen begleitet, ist eine mysteriöse Melodie. Sie passt genau zu der grauen Farbe und den langsamen Kamerabewegungen. Die Aufnahme der Brücke übrigens lässt in dem Zuschauer das Gefühl, dass er oder sie einen Friedhof betrachtet. Die Häuser sind unbewegt, man sieht keine Menschen darin. Die Fenster sind klein und lassen nur ganz wenig Licht durchdringen. Außerdem ist im Tonband noch die Stimme des Erzählers zu hören, der den Zuschauer die ganze Handlung lang begleitet und zu deren kompletten Verständnis beiträgt. Es ist eine ruhige Stimme und langsam genug, um alles bestens mitbekommen zu können.
Auf Giuseppe Baldinis Haus treffen wir noch einmal im Film, in dem Zeitabschnitt 55: 46 - 55:56. Hier aber haben wir die Möglichkeit zu betrachten, wie dieses Kunstwerk der Architektur in sich zusammenbricht. Das geschieht nachdem Grenouille von seinem ersten Meister Abschied nimmt. Bevor er aber weggeht, nimmt ihm Baldini eine olfaktorische Beichte ab. Grenouille diktiert ihm zirka 100 neue Rezepte für Parfums. Der Parfumeur geht an dem Abend glücklich und ruhig ins Bett, voll mit neuen Hoffnungen. Doch er wird nie mehr aufwachen. Diese Sequenz ist überraschend, weil es den Zuschauer unerwartet trifft. Die Erwartungen gegenüber der Fortsetzung der Handlung sind ganz anders. Man denkt, dass man in der nächsten Szene einen glücklichen und erfolgreichen Giuseppe Baldini sehen wird, doch genau das Gegenteil passiert. Der literarische Text ist in dieser Hinsicht ebenso schockierend. Der Tod tritt wieder aus dem nichts hervor und verlangt sein nächstes Opfer. Neben der Tatsache, dass es schockiert, hat diese Szene einen anderen, genau antithetischen Charakter, denn es ist irgendwie auch vorzudeuten, dass Baldini sterben wird. Alle von Grenouilles Betreuer sterben im Werk genau nachdem dieser ungewöhnliche Junge sie verlässt. Das muss natürlich auch mit Giuseppe Baldini geschehen. Er stirbt „off-screen“, denn der Zuschauer kann nur den Zusammenbruch seines Hauses im Film verfolgen. Die Szene ist in drei kurzen Einstellungen eingeordnet. Alle drei haben das Haus im Mittelpunkt und die dynamische Aktion, in der es auseinander fällt. Die erste Einstellung ist eine Totale des Gebäudes aus extremer Aufsicht gefilmt, was man als Vogelperspektive bezeichnet. Diese Extreme der Kameraperspektive vergrößert die Aussagekraft und die Wirkung der Einstellung. Die Macht des Untergangs des Lebens wird mit diesen Bildern zur Geltung gebracht und damit treffen wir hier wieder auf das Motiv des Todes, der die zwei Werke, so wie sie im Ganzen, dominiert. Das Glück von Baldini und seine Fröhlichkeit werden zerstört, zu Nichte gemacht. Die Aufnahme seines frohen Gesichts wird von einer Aufnahme des Zerstörens gefolgt. Solche rasche emotionale Umschaltungen sind in der Welt des Kinos nicht sehr häufig und eben aus diesem Grund besitzen sie eine erweiterte Wirkung. Die zweite Einstellung der Szene ist auch eine Totale, diesmal aber aus der Untersicht gefilmt. Dieses Spiel mit den Kameraperspektiven hat einen hohen Wert in dieser Interpretation. Die Darstellung des Todes ist hier fabelhaft gelöst. Diese Szene hat eine in der Filmwelt nicht sehr oft zu erlebende Eleganz. Die Genialität des Regisseurs tritt hier eindeutig hervor. Die dritte Einstellung der Szene ist natürlich auch eine Totale über Baldinis Haus aus der Normalsicht gezeigt. Über Kamerabewegungen sollen wir im Zusammenhang mit dieser Sequenz des Werkes nicht reden, denn es existieren hier keine. Wir haben weder Schwenks noch Fahrten, aber man muss zugeben, sie würden überflüssig sein und auch schwer zu realisieren, denn die Kürze und die Dynamik der Szene erlaubt keine bemerkbare Kamerabewegung. Wir haben es hier mit drei sehr schnellen Schnitten zu tun, die wie gesagt keine Bewegungen der Kamera verlangen. Was die Beleuchtung des Ausschnittes betrifft haben wir wieder keine schwierige Aufgabe, denn das Haus wird im natürlichen Licht gefilmt. Die Tageszeit ist nach Sonnenuntergang, wenn es noch nicht ganz Dunkel ist. Wir haben also keine kreierte Beleuchtung in diesem Fall. Die Farben, die die Szene dominieren, tendieren wieder ins Bereich des Grauen, Melancholischen, Depressiven. Das Haus fällt wie ein Papierschloss in sich zusammen und man sieht aus welchen unpassenden und ungenügend stabilen Materialien es zusammengestellt wurde. Das Geräusch das man hören kann, erinnert einem an den Ton von brechendem Glas. Das unterstützt die Idee von einem nicht durchdachten Bau des Hauses, was in dem Moment, als Baldini es kauft, an Wichtigkeit gewinnt. Er kauft mit diesem Haus eigentlich einen Sarg, dessen Deckel von Jean Babtist Grenouille zugeklappt wird und damit einer der berühmtesten Parfumeurs von Paris mit all seinen Hoffnungen begraben wird.
Doch die Elemente der Architektur sind im Film nicht nur in Baldinis Haus wieder zu finden. Die Stadt Grasse zum Beispiel wird auch präsentiert, obwohl ihre Erscheinung auf der Leinwand nur ganz kurz ist, wegen der Tatsache, dass nur ein Haus, das sich in dieser Stadt befindet, relevant für die Handlung ist. Dieses Haus ist die Residenz der Familie Richis, aus der eine Person, nämlich die Tochter Laure unheimlich wichtig für Grenouille ist. Wieso sie so wichtig ist, wird später in der Arbeit erklärt werden. Grasse ist also zwischen den Zeitkoordinaten 1:01:52 - 1:02:24 dargestellt und wir können verfolgen, wie Jean Babtist in diese Stadt eintritt. Die Szene ist in 6 Einstellungen organisiert und gibt dem Zuschauer ein Bild davon, wie Grasse damals im 18. Jh. ausgesehen haben. Die erste Einstellung ist eine Panoramaaufnahme über die Stadt und die Landschaft, von der sie umgeben wird. Die Natur dominiert hier und die Farben sind schöne, helle, lebendige Abtönungen, was in diesem Film ungewöhnlich ist. Doch auch diese Szene kann nicht ohne ein Zeichen des Todes vorbeigleiten. Neben der Landstraße, die unseren Helden nach Grasse führt, liegt ein Feld voll mit Blumen. Das ist in sich noch nicht ungewöhnlich, doch wenn wir uns auf die Farbe der Blumen konzentrieren, können wir sehen, wie ein Motiv des Todes wieder auftritt. Die Farbe Lila ist in einigen Kulturen die Farbe der Trauer und die des Todes. In der katholischen Glaube tragen die Priester in der Adventzeit und im Fasten die Farbe Lila. In der Adventzeit bereitet sich man auf die Geburt Christi vor, im Zeit des Fastens dagegen auf den Tod und die Auferstehung. Die Stadt Grasse wird in der Person von Grenouille beide Geschehnisse erleben. Viele Menschen werden sterben, aber sie werden die Geburt des größten Parfumeurs aller Zeiten sehen können, wenn er sein wunderbares Parfum fertig stellt. Die Tageszeit, in der sich diese Szene abspielt, ist das Nachmittag und weil die Aktion im Freien statt findet, braucht man keine künstliche Beleuchtung. Die Kamera bewegt sich im Falle dieser Aufnahme nicht und so können wir über eine reisende Kamera nicht sprechen.
Die Musik ist aber ein Element, worüber man reden sollte, weil wir hier einen schönen himmlischen Ton haben, als ob die Engel singen würden. Dieser Ton fängt an zu spielen, wenn Grenouille den unwiderstehlichen Geruch des Mädchens zum ersten Mal wittert und ist sehr lange im Film noch zu hören. Er lässt den Zuschauer verstehen, dass Jean Babtist unter den Einfluss dieses süßen Parfums geraten ist. Die zweite ist eine Totale Einstellung der Stadt, in der nicht mehr die ganze Siedlung zu sehen ist, sondern das Auge des Zuschauers auf das Stadttor gerichtet wird, an dem die Hauptfigur eintreten wird. Eine Kamerabewegung haben wir auch diesmal nicht, die Farben dagegen sind immer noch hell und warm, das die immer noch ruhige Lage der Menschen andeuten kann. Der Ton, wie es schon angedeutet wurde, ist immer noch dasselbe himmlische Lied, das übrigens eine äußerst beruhigende Wirkung hat. Das dritte Teil dieser Sequenz ist eine Halbtotale Aufnahme über Grenouille, wie er die Stadt betritt, nur noch das Tor ist zu sehen. Farbe, Kamerabewegungen und Ton haben dieselben Eigenschaften wie die vorherigen und die Beleuchtung kann auch mit denselben Worten beschrieben werden.
Ab der vierten Einstellung erleben wir einen Wechsel der filmtechnischen Elemente. Das Zentrale Motiv der Aufnahmen ist wieder Jean Babtist Grenouille, der sich sehr beeilt, um die Tochter der Richis so schnell wie möglich zu finden. In dieser Einstellung ist der Hauptprotagonist mit Hilfe einer Halbtotalen Einstellungsgröße gefilmt, und die reisende Kamera taucht wieder auf. Er bewegt sich auf die Kamera zu und am Ende haben wir nur noch sein Gesicht vor uns. Man kann die Spannung ansehen, wie er sich hektisch und undurchdacht auf sein Ziel zubewegt. Der Ton ist derselbe wie vorher, die Farben aber fangen wieder an dunkler zu werden. Das kommt davon, dass es fast schon Abend ist, aber auch davon, dass die Bewohner der Stadt zu sehen sind, deren Kleidung grau und braun ist. Eigentlich ist die Kleidung der Statisten nicht anders als vorher. In der nächsten Einstellung sehen wir Grenouille von hinten, wie er eine Treppe besteigt. Das kann die Tatsache symbolisieren, dass er immer höher steigt, um sein Ziel, das Mädchen zu erreichen. Die Charakteristiken dieser Aufnahme sind dieselben wie die der vorherigen. Die letzte Einstellung dieser Sequenz trägt im Großen und Ganzen dieselben Eigenschaften wie die, die davor stehen.
Die darauf folgende für uns interessante Sequenz besteht nur aus eine Einstellung und hat die Residenz der Familie Richis im Mittelpunkt. Es ist eine Totale Aufnahme und wir erleben hier eine schwenkende Kamera, die sich von dem Haus auf Grenouille bewegt, aber ein Fenster des Gebäudes doch zeigt und zwar aus dem Sichtwinkel von Jean Babtist. Hinter diesem Fenster verbirgt sich natürlich Laure Richis. Das Gebäude ist eine richtige Festung mit dicken Mauern, hohen Zäunen aus Stein und einem Tor aus starkem Stahl. Die Natur scheint das Mädchen auch beschützen zu wollen, denn die Mauern des Hauses sind mit einer Pflanzenart ganz bewachsen. Die äußere Erscheinung lässt einen wirklich überragenden Eindruck, man denkt, dass es ganz schwer sein muss hier einzubrechen. Aber es ist logisch, dass so ein Schloss etwas sehr Wertvolles versteckt und das weiß Grenouille natürlich auch. Das Haus kann als Motiv der Macht betrachtet werden, der seinen Bewohnern ein Gefühl der Sicherheit und Unbesiegbarkeit gibt. Doch die grauenvollen Morde, die im Grasse passieren, lassen Laures Vater nicht ruhig schlafen, denn er weiß, dass seine Tochter eine Perle ist, die der Täter bestimmt auch erobern möchte. Er weiß, dass sein Haus nicht genug ist, um Laure zu beschützen und entscheidet sich seine Tochter aus der Stadt zu entfernen, auf eine geheime Art und Weise. Nach dieser Sequenz gibt es noch Stellen im Kinowerk, wo wir das Haus der Familie Richis beobachten können. Das Gesamtbild sieht aus, wie zuvor erwähnt, mit dem Unterschied, dass das Gebäude immer in der Nacht gezeigt wird. Das verleiht diesen Stellen eine Spannung, die die Zuschauer gut nachvollziehen können. Alle wissen, dass Grenouille in den Büschen versteckt ist und Laure beobachtet. Zwischen den Zeitkoordinaten 1: 20: 11 - 1:23:54 sehen wir, wie die jungen Leute, die Laures Geburtstag feiern, ein Spiel spielen. Sie verstecken sich in einem großen Labyrinth aus Hecken, das in dem Garten des Hauses eingerichtet wurde. Das Problem ist nur, dass sie sich nicht bewusst sind, dass sie sich auch vor der Zecke verstecken müssen und nicht nur vor einander. Am Ende erreicht die Spannung einen hohen Grad, weil man einige Sekunden lang nicht weiß, ob Laure geschnappt wurde oder nicht. Am Ende stellt sich heraus, dass Grenouille zwei andere Mädchen ermordet hat, die übrigens Zwillinge sind. Das Labyrinth in sich ist ein Werk der Architektur, dessen Charakter als Motiv nicht zu übersehen ist. Es ist ein Motiv der schweren und langen Suche und des verwirrenden Wegs, den Jean Babtist entlang gehen soll, um seine Ziele zu realisieren. Dieser Weg wird kein leichter sein, denn viele Hindernisse machen ihm das Leben schwer. Es ist auch ein dunkler Weg wie das im Film erscheinende Labyrinth.
Außer den erwähnten Gebäuden gibt es noch ein einziges im
Film, das nennenswert ist. Damit meine ich das Schloss, wo ihr Vater Laure vor
Grenouille verstecken möchte. Dieses Bauwerk ist unmittelbar vor und nach Laures
Tod, also genau zweimal auf die Leinwand gebracht. Beide Male ist es nur von
der Ferne gezeigt durch eine Panorama Aufnahme, die die kleine Halbinsel zeigt,
worauf sich das Wirthaus befindet. Man kann es also nur aus einer Richtung
nähern. Richis will sicher gehen und er schickt Laure in ein Zimmer unter dessen
Fenster sich ein Abgrund befindet und man es nur durch eine einzige Tür
betreten kann, die mit dem Zimmer des Vaters benachbart ist. Das scheint ein
sicherer Ort zu sein, doch Laures Vater begeht einen Fehler. Er rechnet mit
einem Augenmenschen und denkt nicht daran, dass der Täter sich nach anderen
Sinnen orientiert. Ein anderer Fehler ist, dass man aus diesem Zimmer auch
nicht fliehen kann. Die erwähnten beiden Sequenzen, wo das Wirthaus im Bild
erscheint, sind eigentlich zwei kurze Einstellungen zwischen den Zeitkoordiaten
1: 43: 32- 1: 43: 37 und 1: 47:06- 1: 47:
Damit hat dieses Kapitel sein Ziel erreicht und sein Zweck wurde erfüllt. Die Elemente der Architektur, die in den beiden Werken erscheinen, wurden erwähnt und besprochen und ihre Funktion als Motive wurden geäußert.
4.4. Die sieben Jahre der fröhlichen Einsamkeit
Auf dem Weg nach Grasse erreicht Jean Babtist Grenouille einen Platz, wo er den Geruch der Menschheit gar nicht mehr riechen kann. Dieser Ort befindet sich auf einem zweitausend Meter hohen Vulkan namens Plomb du Cantal.
„Der Berg bestand aus einem riesigen Kegel bleigrauen Gesteins und war umgeben von einem endlosen, kargen, nur von grauem Moos und grauem Gestrüpp bewachsenen Hochland, aus dem hier und da braune Felsspitzen wie verfaulte Zähen aufragten und ein paar von Bränden verkohlte Bäume.[] Und bei Nacht gar im bleichen Licht des Mondes, schien sie in ihren gottverlassenen Öde nicht mehr von dieser Welt zu sein.“[60]
Schon in dieser äußerlichen Beschreibung des Vulkans finden
wir mehrere Motive, die gut in dem Gesamtbild des Buches hineinpassen. Wir
lesen hier über verfaulte Zähne, die meistens auf Krankheiten und auf den Tod hindeuten.
Wie schon früher gesagt ist dieses Motiv in Thomas Manns Werken oft wieder zu
finden. Die Natur scheint hier nur sehr wenige und schwache Zeichen des Lebens
zu zeigen, die Farbe Grau dominiert die Gegend und die Bäume sind von Bränden
zerstört. Die einzigen Lebewesen sind Fledermäuse, Käfer und Nattern und graues
Moos. Fledermäuse werden oft mit Vampiren assoziiert und die mit dem Tod. Sie
leben von dem Blut von anderen Lebewesen, wie auch Jean Babtist die Seele
seiner Opfer aussaugt, indem er ihren Duft raubt. Die Umgebung ist also sehr unfreundlich
für einen alltäglichen Menschen, doch Grenouille fühlt sich hier absolut wohl.
Doch er mag diesen Ort nicht wegen der dürren Eigenschaften der Gegend, sondern
weil er nicht mal ein Zeichen von menschlichem Leben entdecken kann, nicht mal ein
schwacher Duft erinnert ihn an die Menschheit. Wegen dieser Tatsache spürt er
eine „ immer stärker werdenden Euphorie“[61] in sich. An dieser Stelle erleben wir Jean
Babtist als jemanden, der richtige Gefühle hat. Er schreit vor Glück, er tanzt,
er brüllt seinen eigenen Namen in alle Richtungen, ballt die Fäuste und
schüttelt sie triumphierend. „ Er führt
sich auf wie ein Wahnsinniger, bis tief in die Nacht hinein.“ Die Einsamkeit
kann in ihm solche Gefühlsausbrüche provozieren und die wunderbare Düfte der
Mädchen, die er umbringen wird. Er findet einen Stollen der
Religiöse Motive treten auch auf in dem Moment, wo die Einsamkeit von Jean Babtist mit der Suche der Heiligen und Propheten nach Einsamkeit verglichen wird. „Man weiß von Menschen, die die Einsamkeit suchen: Büßer, Gescheiterte, Heilige oder Propheten.“[64], Menschen, die von anderen in Ruhe gelassen werden wollen und Gott näher kommen möchten. Doch unser Held will mit Gott nichts zu tun haben, er will nur aus einem Grund alleine bleiben, „um sich selbst nahe zu sein“ . Er fängt an in seiner Verlassenheit an seinem inneren Universum zu arbeiten. Er baut es aus, er denkt sich neue Düfte aus, erweitert seine Festung mit immer weiteren Zimmern und sein Reich wird ständig größer und mächtiger. Patrick Süskind stellt ihn als Gott dar, indem er über ihn mit aus der Bibel geliehenen Worten und Sätzen redet. Grenouille erscheint, in diesem Kapitel mit der Nummer 26, als Schöpfer, der nur mit seinen eigenen Willen schaffen kann. Die Sprache dieser Sequenz ist eine biblische Sprache an vielen Stellen und man muss zugeben, es ist ein bisschen absurd, dass ein kaltblütiger Mörder mit Gott gleichgesetzt wird. Er selbst fühlte sich wie Gott, in seinem Imperium, „und als er sah, daß es gut war und daß das ganze Land von seinem göttlichen Grenouillesamen durchtränkt war“ , wurde er sehr zufrieden. Diese Textstelle bringt uns wieder die Bibel vor die Augen, nämlich das Buch der Genesis, in dem beschrieben wird, wie Gott aus seiner Wille die ganze Welt schafft. Er ist als der große Grenouille bezeichnet und der Autor spricht über ihn mit Worten wie Schöpfer, segnen usw. In dem nächsten Kapitel ist das Zentrum seines inneren Reiches dargestellt, sein Herz, das als „ein purpurnes Schloss“ bezeichnet ist. Hier kann sich der Große Grenouille nach einem mühsamen Tag der schöpferischen Tätigkeit hinlegen und ausruhen. Der Text bietet uns eine parallele Beschreibung von Jean Babtists innerem und äußeren Zustand, obwohl der erste im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Sein Schloss ist genau das Gegenteil der Gebäuden, die im Text als reale Bauwerke präsentiert sind. Es ist pompös und will zeigen, wie mächtig er in seiner eigenen Welt ist. Grenouille lässt seine Phantasie spielen, die mit einem Theater verglichen wird: „Die nächste Vorstellung des grenouillschen Seelentheaters begann.“ Man kann bestätigen, dass sein Leben einen perfekten Weg einschlägt und man könnte denken, er verbringt seine restliche Zeit auf diesem Berg. Doch dann passiert etwas, was seinen Zustand und seine Pläne total verändert. In seiner Einsamkeit, isoliert von aller menschlichen Anwesenheit entdeckt er, dass er keinen eigenen Körpergeruch besitzt. Das ist die größte Katastrophe, die er überhaupt erleben kann, denn für ihn existiert alles durch Gerüche und Düfte. Was er nicht riechen kann, nimmt er nicht als existent wahr. Die erwähnte Katastrophe „geschah im Schlaf. Besser gesagt im Traum. Vielmehr im Traum im Schlaf im Herz in seiner Phantasie.“ Er träumt von einem dicken Nebel, der ihn umhüllt und von dem er nicht atmen kann, der aber keinen Geruch hat. Er stellt fest, dass er seinen eigenen Geruch sieht und erschreckt fast zu Tode als er bemerkt, dass er ihn nicht riechen kann. Er erwacht von seinem eigenen Schrei und entschließt sich, diesen Ort zu verlassen. Diese sieben Jahre auf dem Berg der Einsamkeit können gut mit Thomas Manns Roman, „Der Zauberberg“, verglichen werden. In beiden Werken scheint die Zeit still zu stehen und beide Protagonisten finden irgendwie Ruhe in ihrer Isolation von der realen Welt.
Diese siebenjährige Periode von Grenouilles Leben ist verständlicher Weise auch im Kinowerk an die Leinwand gebracht zwischen den Minuten 55:57 - 1:00:45. Es ist eine Zeit, die entscheidend für seine weitere Existenz ist, weil er den größten Schreck seines Lebens durchmacht. Die Verfilmung dieser Zeitspanne hat 54 Einstellungen und zeigt Abweichungen von der Beschreibung im literarischen Text. Die Sequenz ist natürlich nicht so lang und nicht so detailliert wie im Buch. Die Konzentration ist auf die äußeren Aktionen gerichtet und das innere Universum von Jean Babtist ist weniger im Mittelpunkt, obwohl es eine wichtige Position im Süskinds Text hat. Die Zuschauer können eine breite Skala von Einstellungsgrößen erleben, zwischen denen die Panoramaaufnahmen und die Totalen, die Umgebung von Grenouille und hauptsächlich die Natur ins Zentrum stellen, die anderen Typen von Einstellungsgrößen dagegen sich mit der Hauptfigur beschäftigen. Panorama und Totale Aufnahmen haben wir nur am Anfang und am Ende der Sequenz und in beiden Fällen haben sie dieselbe Funktion; sie präsentieren den Weg des Hauptprotagonisten auf den Berg und vom Berg herab. Die Kamerabewegungen weisen in diesen Einstellungen keine Besonderheiten auf. In der ersten Einstellung haben wir eine Aufnahme von Grenouilles Fuß und das ist mit der reisenden Kamera gezeigt. Wenn er sich fortbewegt, reist auch die Kamera, wenn er stehen bleibt, hält auch die Kamera an. Natürlich ist das nicht in jedem Fall so, aber meistens schon. Die Schwenks verfolgen seine Bewegungen, seine Körperhaltung, seine Mimik und Gestik. Wir haben nur wenige Schwenks in diesen Aufnahmen und Zooms auch. Die Farben sind hell, aber das Gras ist nicht mehr grün, sondern hat eine helle Farbe und ist schon tot. Die grüne Farbe dominiert in diesen Naturaufnahmen und wir erleben hier eigentlich schöne Bilder. Die Beleuchtung ist natürlich und der Ton ist aus einer schönen Melodie und der Stimme des Erzählers zusammengestellt, man kann aber auch den Wind hören. Eigentlich funktioniert der Anfang und das Ende der Sequenz wie eine Ein- und Ausblendung in die Umgebung, in die die Aktionen passieren. Die Vegetation wird desto weniger existent, je höher er auf den Berg steigt und die Umgebung damit desto unfreundlicher. Das symbolisiert die Tatsache, dass er in die Isolation von den Menschen immer tiefer steigt.
Die wichtigen Motive und die Stellen, die richtigen Aussagewert haben, finden wir in den mittleren Einstellungen der Szene. Wir reden hier über die Periode, als er sich in der Höhle aufhielt. Die Beleuchtung wird hier wichtig. Der Regisseur spielt mit Schatten und Licht. Grenouille ist immer so gezeigt, dass nur die Hälfte oder weniger als die Hälfte des Bildes im Licht steht. Das soll wieder die zwei Spalten von seiner Persönlichkeit symbolisieren. Er ist ein Genie aber auch ein kaltblütiger Mörder. Er ist perfekt zufrieden in der Höhle perfekt zufrieden, doch er erlebt eine heftige Krise, wenn er bemerkt, dass er keinen Geruch hat. Die Halbtotale, Halbnahe Groß und Detailaufnahmen dominieren in dieser mittleren Sequenz. Die Farben sind dunkel und grau, nur einige Körperteile von Grenouille sind beleuchtet und sichtbar.
Im Gegensatz zum Buch realisiert er mit Hilfe eines völlig anderen Traumes, dass er keinen Geruch hat. Hier träumt er über das Mirabellenmädchen, das ihn nicht sieht. Da versteht er, warum er unsichtbar für sie ist. Im Film hören wir seine Stimme gar nicht, obwohl er im Buch mehrmals spricht und schreit. Der Ton unterstützt die Größe seiner Krise, er erweckt Spannung, Unruhe in dem Zuschauer, man kann ihn als den Ton der Verzweiflung betrachten. Die Natur gibt seine Katastrophe auch wieder, denn ein Sturm kommt, wenn er sie erlebt. Die Einstellungen, wo er sich im Regen badet, sind dynamischer geschnitten, um eben die Ernstheit der Situation und seine Gefühlen wiederzugeben. Die unfreundliche Umgebung, die toten Steine, die Finsternis, die totale Isolation und die Ferne von den Menschen betrachten wir als Motive, die verschiedene Funktionen und Bedeutungen haben. All diese äußeren Erscheinungen sind in Harmonie mit Grenouilles innere Welt, was deren moralische Seite angeht. Ansonsten sind die beiden Welten antithetisch, denn Jean Babtist fühlt sich in seiner Isolation sehr wohl, er ist glücklich und zufrieden. Die Darstellung dieser Periode ist im Film weniger negativ und von Motiven des Todes dominiert als im Buch. Da haben wir mehrere Andeutungen auf den Tod, die in Wörtern wie Sarg, Leiche und Grab erscheinen. Man hat im Film nicht das Gefühl, dass er wie in einem Sarg liegt. Man spürt nur die Einsamkeit. Die religiösen Motive sind im Film nicht existent, nur ein Satz des Erzählers zeigt in diese Richtung, wo er sagt, dass dieser Ort sich anfühlt, als sei er geheiligt. Genau wie im Buch entscheidet sich die Hauptfigur nach seiner Realisierung auch hier seine Pläne zu ändern und der Welt zu zeigen, dass er doch existiert und nicht nur existiert aber auch außergewöhnlich ist.
4.5. Die Endnote
Wenn wir über das erste Mädchen geredet haben, sollen wir auch über Laure Richis reden, denn ihr Duft kann als das letzte Element von Grenouilles Kunstwerk betrachtet werden. Den Mord an ihr führt Jean Babtist „mit professioneller Bedächtigkeit“[70] durch, was gar nicht überraschend ist, wenn man bedenkt, wie viel er geübt hat. Diesen Tat begeht er nach seinem sieben jährigen Einsamkeit. Die Vorbereitungen auf den Mord machen ihm größere Freude als das Endprodukt selbst. Er schmiert das Tuch langsam fast schon künstlerisch mit Fett ein und macht alles fertig. Die Finsternis erscheint als Teil seiner Arbeit, er macht alles ohne seine Augen zu benutzen. Die Elemente der Natur deuten daraufhin, was mit Laure passieren wird.
„Der Himmel war bedeckt. Im Haus brannte kein Licht mehr. Der einzige Funken in dieser stockfinsteren Nacht zuckte im Osten auf dem Leuchtturm […], über eine Meile entfernt, ein winziger heller Nadelstich im rabenschwarzem Tuch.“
Alles spielt auf Grenouilles Hand, selbst die Hunde schlafen. Seine Aktion sind/ist detailliert, Schritt für Schritt beschrieben und interessanter Weise liegt selbst Laure in idealer Position um getötet zu werden. Das sind irgendwie zu viele Zufälle und man könnte behaupten, dass Patrick Süskind seiner Hauptfigur die Arbeit zu einfach macht. Die Ruhe der Nacht ist allein von dem dumpfen und knirschenden Keulenschlag gebrochen, als Jean Babtist zuschlägt, nachdem „eine vermehrte Stille“[72] zurückkehrt. Diese Stille erinnert eine an den Tod, der unerwartet und leise ans Werk geht und nachdem er zugeschlagen hat, verschwinden selbst die Geräusche des Lebens. Nachdem Grenouille die Leiche in das Tuch einwickelt, bleibt nicht mal ein kleines Loch frei, an dem ihr Duft fliehen könnte. Er macht eine perfekte Arbeit und nimmt die Seele des Mädchens gefangen. Der Vater will sie genauso perfekt isolieren, um sie zu beschützen, doch er macht Fehler und diese kosten Laure das Leben. Die Zeit des Wartens ist idealisiert, denn es ist als „ein begleitendes, sinnvolles, gewissermaßen ein tätiges Warten“ beschrieben. Das deutet auf das Genie, das nichts Überflüssiges macht, weil es alle seine Tätigkeiten fehlerlos plant. Als die Nachtschwärze sich langsam löst, verschwindet Grenouille aus dem Zimmer des Mädchens und der Vater erwacht froh, weil er schon längst nicht mehr so gut geschlafen hat, wie in dieser Nacht. Die Farbe Blau ist zweimal erwähnt, einmal als dunkelblau und einmal als blaugrau. Diese ist die Farbe des Lebens trotzdem kommt sie in dieser Szene des Todes auf. Vielleicht will der Autor andeuten, dass das Leben auch in dieser Situation weitergehen soll. Der Himmel klärt sich, weil es keinen Sinn mehr hat, irgendetwas zu verstecken, denn was passieren musste, ist schon passiert. Die Beschreibung des Himmels steckt den Mord in eine schöne Klammer und ist eine professionelle literarische Lösung der Situation. „Riesig und goldrot hob sich zwischen den beiden Lerinischen Inseln“ die Sonne, eine Beschreibung, in der die Farben wichtig für eine Interpretation sind. Die Natur scheint Grenouilles Erfolg zu feiern mit dieser goldenen Farbe, aber es deutet mit dem Roten auch darauf, dass dieser Triumph durch Blutergießen erreicht wurde. Die Farbe Rot ist auch in den Haaren des Mädchens wieder zu finden, genau wie bei seinem ersten Opfer in Paris. Das ist also ein wiederkehrendes Motiv, das auch den Tod aber interessanter Weise auch die Schönheit enthalten kann. Beide Mädchen haben sehr weiße Haut mit sehr rotem Haar kombiniert. Sie sind nicht nur für die Nase von Jean Babtist aber auch für die Augen sehr schön, doch sie sind beide zum Tode verurteilt. Die weiße Farbe ihrer Haut steht übrigens für ihre unberührte und saubere Schönheit. „ Die Kammer war wie von gleißendem Silber gefüllt, alles strahlte“ , als Laures Vater es betritt. Ein antithetisches Bild ist das, weil in den meisten Fällen, in literarischen aber auch in anderen Werken, werden die Leichen in einer dunklen und depressiven Umgebung gefunden. Der Tod ist irgendwie als etwas Schönes dargestellt und die blendend weiße Farbe des Mädchens unterstützt diese Idee noch mehr und verleiht der traurigen Situation noch ein Element der Klarheit. Der Traum ist auch ein wiederkehrendes Motiv, denn Grenouille entdeckt seine Geruchlosigkeit auch im Traum, genau wie der Vater den Tod seiner Tochter schon vorher im Traum sieht. An dieser Stelle wird der Traum wahr genau wie auch Jean Babtists Traum sich als wahr erweist.
Die Szene von Laures Tod ist im Kinowerk zwischen den Zeitkoordinaten 1: 43: 32 - 1: 48: 08 repräsentiert und in 51 Einstellungen verfilmt. Mit der Beschreibung des Himmels am Anfang und am Ende die des Mordes korrespondieren in dem Film die schon früher analysierten beiden Aufnahmen über das Wirtshaus, wo Laure und ihr Vater die Nacht verbringen, und haben dieselbe Klammer setzende Funktion, wie jene Beschreibungen. Die Farben sind identisch gezeigt wie im Text und die Perfektion mit der Jean Babtist arbeitet, ist auch auf die Leinwand gebracht, doch im Gegensatz zum Text bereitet er den Tod hier nicht in völliger Finsternis vor, was nicht überraschend ist, denn die Zuschauer müssen doch sehen, was er macht. Was die Einstellungsgrößen betrifft dominieren die Halbtotale, Halbnahe, Nahe, Groß und Detailaufnahmen, um eben die Feinheiten der Mimik und Gestik mitbekommen zu können. Die Personen stehen im Mittelpunkt und nicht die Umgebung. Kamerabewegungen verfolgen Grnouilles Bewegungen, wie er sich dem Zimmer des Mädchens nähert, wie er den Schlüssel nimmt, wie er seine Hand hebt, um sie zu erschlagen usw. Die Schwenks dominieren und die reisende Kamera kommt selten vor, aber das ist auch nicht nötig, denn nicht der Platzwechsel der Hauptfigur ist wichtig, sondern seine und ihre feinen Bewegungen. Die Beleuchtung ist wieder wie ein Spiel des Schattens und Lichtes zu beschreiben. Grenouille ist fast immer halb beleuchtet, halb im Schatten stehend dargestellt, Laure aber immer voll beleuchtet. Das deutet darauf, dass sie nichts zu verbergen hat, sie ist rein und offen, doch er hat eine Seite, die lieber im Schatten bleiben soll, weil sie so schrecklich ist. Die Musik ist wichtig in dieser Szene. Wir hören schon am Anfang der Sequenz eine rhapsodische und dramatische Melodie, die Grenouilles Taten und alle andere Aktionen begleitet und die bevorstehende Gefahr vorausdeutet. Es ist aber auch eine erzählerische Musik, die den Zuschauer in die Handlung mitreißt und führt. Das Moment, als der Vater die Tür des Zimmers mit dem Schlüssel abschließt, hören wir genau und es hört sich wie ein Todesurteil an. Die Melodie hört in dem Moment auf, wo Jean Babtist vor dem Mädchen steht, also direkt vor ihrem Tod. Das deutet darauf, dass etwas Wichtiges passiert. Sie öffnet die Augen im Gegensatz zum Buch und sieht ihn an, kann aber nicht schreien. Als ob sie sich freiwillig für einen guten Zweck opfern wollte. Man sieht keine Furcht in ihren Augen, aber man sieht, dass sie weiß, dass sie sterben wird. Ihr Tod wird nicht gezeigt, nur angedeutet, mit einigen Großaufnahmen von ihrem und seinem Gesicht, bevor er zuschlägt. Das Moment, wo der Vater ihre Leiche entdeckt, ist so wiedergegeben, wie es im Buch steht. Der Traum wird auch hier erwähnt, aber nicht während, sondern vor der Szene des Todes, und damit ist die Rolle des Traumes als Motiv herausgehoben
5. Vergangene und existierende Aktualität
„ Für dieses Werk hat Süskind zuvor lange Recherchen angestellt, die Schauplätze der Handlung bereist, sich in Grasse bei der namhaften Firma Fragonard in die Geheimnisse der Parfumeurskunst einweihen lassen und vor allem eine Anzahl von literarischen und kulturhistorischen Quellen studiert, die er ausgiebig für den Roman nutzte.“
Dieser Ausschnitt aus dem öfters zitierten Buch des Oldenburg Verlags deutet an, dass die im Roman vorkommenden Orte realistisch und präzise dargestellt sind. Über die Städte Grasse und Paris bekommt der Leser ein perfektes Bild und auf die historische Zeit gibt es auch Andeutungen, die klar stellen, dass Patrick Süskind seine Hauptfigur in einer realen Welt leben lässt. Der Erzähler gibt konkrete Angaben über die Ankunft von Grenouille am Berg Plomb du Cantal. Er erreicht ihn im August des Jahres 1756 und verbringt 7 Jahre dort. „Während dieser Zeit herrschte in der äußeren Welt Krieg, und zwar Weltkrieg.“ Dieser Krieg hat tatsächlich stattgefunden und man nennt ihn den Dritten Schlesischen Krieg. Auf der einen Seite kämpften Preußen und Großbritannien und Österreich, Frankreich, Russland auf der anderen Seite. Der Krieg wurde in Nordamerika, Indien, Mitteleuropa, der Karibik und auf den Weltmeeren ausgefochten. Damit gibt uns der Autor einen eindeutigen Hinweis über die Relevanz seiner Arbeit und seines Textes. Der Roman kann also auch als kulturhistorisches Dokument aufgefasst und benutzt werden. Das Buch wurde 1985 auf den Markt gebracht und man dürfte bedenken, welche Aktualität es in der damaligen Welt haben konnte. Es wäre gewohnt, wenn wir sagen würden, dass Patrick Süskind Gesellschaftskritik ausüben wollte. Doch das können wir sehr wohl behaupten, denn die Tatsache, dass er über eine stinkende Gesellschaft und nicht existierende Hygiene redet, muss etwas bedeuten. Er ist offensichtlich mit der Welt und dem System, in dem er lebt, nicht zufrieden, oder man könnte es wenigstens auch so interpretieren. Die Tatsache, dass Grenouille ein Nasenmensch ist kann heißen, dass die Korruption und die Probleme existieren, aber man kann sie nicht sehen. Nur die Menschen können damit etwas anfangen, die nicht nur die Oberfläche der Dinge betrachten, sondern fähig sind in die Tiefe zu gehen oder weiter zu denken, analytisch zu denken. Grenouille will die Welt der Düfte revolutionieren, was man mit der bevorstehenden Wende im Jahre 1989 gleichsetzen kann. Das Buch ist nur vier Jahre vor der Systemwende erschienen und da existierten bestimmt schon Zeichen, die darauf deuteten, was passieren wird oder zumindest haben die Menschen haben die Not eines Wechsels gefühlt. Den Film könnte man nach den denselben Kriterien deuten, wenn es früher erschienen wäre. Doch Patrick Süskind hat nur sehr spät seine Einwilligung gegeben, was die Verfilmung seines Werkes betrifft. Doch da das Kinowerk erst 2006 erschienen ist, kann man eine solche Deutung vergessen. Die Unterschiede zum Buch sind wichtig, aber können aber nicht als für die Aktualität des Filmes beitragende Elemente betrachtet werden. Die eben erwähnten Ungleichheiten hat der Regisseur vorgenommen, um das Dramatische der Handlung zu erhöhen, oder um die Verfilmung des Textes zu erleichtern. Denn, wo Grenouille zum Beispiel sich in völliger Finsternis befindet und so arbeitet, kann nicht in dieser Weise auf die Leinwand gebracht werden. Die Zuschauer müssen doch sehen, was er macht und was mit ihm passiert.
Warum Patrick Süskind das Frankreich des 18. Jahrhunderts als so genanntes Setting gewählt hat, ist eindeutig, wenn man bedenkt, was für Eigenschaften die Hauptfigur besitzt. Er ist die beste Nase aller Zeiten und wo könnte er dieses Talent besser zur Geltung bringen, als in einer Zeit, wo die olfaktorischen Reize am stärksten und am chaotischsten sind? Die Hygiene in Paris war damals sehr niedrig, aber man hat sich damit auch nicht auseinandergesetzt, es war gut so. Die Parfume waren also sehr begehrte Waren, insbesondere unter denen, die sie sich leisten konnten. Es ist also zu verstehen, dass der Autor den besten Parfumeur aller Zeiten in dieser Zeit leben und agieren lässt.
Ein seriöser Kritikpunkt des Filmes ist, dass man Düfte nur schwer darstellen kann. Tom Tykwer hat aber so gut wie möglich diese schwere Aufgabe gelöst. In der Szene zum Beispiel wo Baldini das von Grenouille hergestellten Parfum rieht hat er wunderschöne Einbildungen. Der Zuschauer sieht also die Effekte der Düfte und nicht die Düfte selbst. Sie sind also indirekt dargestellt aber eindeutig wahrzunehmen.
Von den beiden Kunstwerken kann der Roman als aktuell bezeichnet werden, aber der Film gibt die Aussagen des Buches authentisch wieder.
6. Zusammenfassung
Am Ende einer literaturwissenschaftlichen Arbeit ist es immer nötig, wenn man die gesetzten Ziele noch einmal erwähnt und zusammenfasst, durch welche Methoden und mit Hilfe welcher Materialien sie erreicht wurden.
Diese Arbeit setzt sich am Anfang als Ziel, den Roman von Patrick Süskind Das Parfum und dessen Verfilmung analytisch zu vergleichen. Es handelt sich hier um eine vergleichende Analyse der Motive, die in den beiden Werken vorkommen. Dieses Ziel ist erreicht, indem die in dieser Hinsicht relevantesten Stellen der Werke interpretiert wurden. Diese sind der erste und letzte Mord der Hauptfigur, die Werke der Architektur, die erscheinen und natürlich die Hauptfigur selbst, besser gesagt ihre Geburt und die wichtigsten Perioden in ihrem Leben.
Die Sequenzen, wo die genannte Ereignisse erscheinen, bieten eine weite Skala der Motive, die natürlich während der Arbeit genannt und eingehender betrachten worden sind. Die Motive, die an diesen Stellen erscheinen, deuten in den meisten Fällen auf den Tod oder behandeln irgendwie dieses Thema. Die dunklen Orte und grauen Landschaften, die gezeigt oder beschrieben werden, sind alle passende Umgebungen, wenn man daran denkt, wo der Tod erscheinen könnte. Die Farben und die Beleuchtung des Filmes dienen dieser Idee des überall erscheinenden Endes sehr wohl. Jean Babtist Grenouille wurde mehrmals behandelt in dieser Arbeit, was seine Charaktereigenschaften betrifft, doch man kann nicht behaupten, dass eine Personencharakterisierung von ihm wesentlicher Teil der Arbeit wäre. Es ist aber notwendig, dass er mit den Motiven der Werke in Zusammenhang gebracht wird, weil man seine Taten nur so deuten und verstehen kann. Am Anfang der Arbeit finden wir eine kurze Biographie des Autors des Buches und des Regisseurs des Filmes, weil diese beiden Menschen die wichtigste Rolle bei der Entstehung der Kunstwerke spielen und eine minimale Anzahl von Informationen über ihr Leben notwendig für eine umfangreiche Kenntnis über dieses Themas ist. Am Ende der Abhandlung stehen ein paar Gedanken darüber, in wie weit die beiden Werke aktuell sind und von welchen Gesichtspunkten man diese Aktualität betrachten kann. Natürlich setzte sich die Arbeit auch das Ziel, den Film aus der filmtechnischen Seite zu analysieren, weil das für das korrekte und vollständige Verständnis des Kinowerkes oder zumindest das der interpretierten Sequenzen notwendig ist. Solche technischen Elemente sind zum Beispiel die Einstellungsgröße, Kamerabewegungen, Beleuchtung, Farben, Ton usw., und eben auf die hier genannten Nuancen hat sich die Abhandlung konzentriert, wobei auch noch andere existieren. Aber diese Elemente haben die Bedeutungen der Motive herausgehoben.
7. Literaturverzeichnis
1. FRIZEN, Werner; SPANCKEN, Marilies: Patrick Süskind. Das Parfum.
Interpretetionen. 2., überarb. und korr. Aufl., München: Oldenburg 1998.
2. KAMP, Werner; RÜSEL, Manfred: Vom Umgang mit Film. Berlin: Volk und Wissen
1998.
3. KRAFT, Thomas [Hrsg.]: Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit
1945., Band 2, München: Nymphenburger 2003.
5. SÜSKIND, Patrick: Das Parfum. Die Geschichte eines Mörderers, Zürich: Diogenes
2002.
6. Das Buch der 1000 Bücher. Werke die die Welt bewegten. Autoren und Entstehung,
Inhalt und Wirkung. 3. Aufl. Manheim: Brockhaus Verlag ( Meyers Lexikon Verlag)
2005.
7. Lexikon der Weltliteratur. Hauptwerke der Weltliteratur in Charakteristiken und
Kurzinterpretationen, Hrsg. Gero von Wilpert, 3. Aufl. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag
1993.
8. Der Film: Perfume. The Story of a Murderer. Tom Tykwer. Mit: Ben Whishaw,
Dustin Hoffman, Rachel Hurd-Wood, Alan Rickman. Constantin Films 2006.
9. https://www.imdb.com/title/tt0396171/ [Stand vom: 14. 05. 2008].
. https://imdb.com/title/tt0396171/awards [Stand vom: 20. 03. 2008].
11. https://de.wikipedia.org/wiki/Blade_Runner [ Stand vom: 20. 03. 2008].
12. https://www.musicolog.com/tykwer.asp [ Stand vom: 20. 03. 2008].
13. https://de.wikipedia.org/wiki/Stefan_Arndt [Stand vom: 20. 03. 2008].
14. https://de.wikipedia.org/wiki/Dani_Levy [Stand vom: 20. 03. 2008].
15. https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Becker_%28Regisseur%2C_1954%29 [Stand
vom: 20. 03. 2008].
16. https://de.wikipedia.org/wiki/Reinhold_Heil [Stand vom: 20. 03. 2008].
17. https://de.wikipedia.org/wiki/Johnny_Klimek [Stand vom: 20. 03. 2008].
18. https://de.wikipedia.org/wiki/Tykwer [Stand vom: 20. 03. 2008].
Süskind, Patrick: Das Parfum. Die Geschichte eines Mörderers, Zürich: Diogenes, 2002. In der Folge zitiert als: DP.
Vgl., Frizen, Werner; Spancken, Marilies: Patrick Süskind. Das Parfum. Interpretetionen. 2., überarb. und korr. Aufl. München: Oldenburg 1998, S. 7.
Vgl., Ebda.
Ebda, S.9.
Ebda.
Ebda, S.8.
Vgl., Ebda.
Vgl., Ebda, S. 8.
Ebda.
Vgl., Ebda, S. 8-9.
Vgl., Ebda, S. 10.
Ebda, S. 11.
Vgl., Ebda, S. 11.
Ebda, S. 7.
Vgl., https://imdb.com/title/tt0396171/awards [Stand vom: 20. 03. 2008].
Science- Fiction Film des Regiseurs Ridley Scott, 1982 erschienen, vgl.:
https://de.wikipedia.org/wiki/Blade_Runner [ Stand vom: 20. 03. 2008].
Vgl., https://www.musicolog.com/tykwer.asp [ Stand vom: 20. 03. 2008].
1984 Mitbegründer der Kinobetreibegruppe Sputnik-Kollektiv und Leiter von eine Reihe von Kinos in Berlin, Hamburg, Potsdam, vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Stefan_Arndt [Stand vom: 20. 03. 2008].
17. November
https://de.wikipedia.org/wiki/Dani_Levy [Stand vom: 20. 03. 2008].
( 22. Juni
https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Becker_%28Regisseur%2C_1954%29 [Stand vom: 20. 03. 2008].
( 18. Mai
und Sänger, vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Reinhold_Heil [Stand vom: 20. 03. 2008].
(
https://de.wikipedia.org/wiki/Johnny_Klimek [Stand vom: 20. 03. 2008].
Vgl., https://de.wikipedia.org/wiki/Tykwer [Stand vom: 20. 03. 2008].
DP, S. 367.
DP., S. 5.
Ebda, S. 6ff.
Ebda, S. 8.
Ebda, S. 8.
Ebda, S. 9.
kleinste filmische Einheit; kontinuierlich belichtetes, ungeschnittenes Stück Film; vgl.: Kamp, Werner. Rüsel, Manfred: Vom Umgang mit Film, Berlin: Volk und Wissen, 1998, S. 13. In der Folge zitiert als: VumF.
macht den Zuschauer mit der Zeit und Ort der Handlung bekannt
Abbildung einer oder mehrerer Personen, im Vergleich zu den Figuren dominiert die Umgebung, Körperhaltung als Ausdrucksmittel, vgl. VUmF, S. 14.
Personen nicht mehr vollständig zu sehen, wichtig wird die Gestik der Person als Ausdrucksmittel, vgl. ebda.
Brustbild einer Person, Mimik steht im Vordergrund des schauspielerischen Ausdrucks, vgl. ebda.
Kamerabewegungen in horizontale und vertikaler Richtung, bei denen die Kamera ihren Standpunkt nicht verlässt, vgl. ebda, S. 23.
Eine Kamera die ihren Standort verlässt, beginnt einen Fahrt, vgl. ebda, S. 25.
Ein Zoom imitiert einen Hin- oder Rückfahrt, ohne dass sich die Kamera tatsächlich bewegt, vgl. ebda, S. 28.
Aufnahme eines Gesichts, die innere Befindlichkeit der Person steht im Mittelpunkt, vgl. ebda, S. 14.
Nur noch Teile des Gesichts sind zu erkennen, einzelne Details stehen für das Ganze, vgl. Ebda.
DP, S. 57.
Ebda, S. 55.
Ebda, S. 63.
Ebda, S. 63.
Ebda, S. 56.
Ebda, S. 60.
Ebda, S. 61.
Ebda, S. 63.
Ebda, S. 59.
Ebda, S. 65.
Ebda, S. 66.
Ebda.
Objekte und Personen werden aus einen erhöhten Perspektive aufgenommen, vgl., VUmF: S. 20.
Objekte und Personen werden aus einen niedrigeren Kamerastandpunkt gefilmt, vgl., ebda, S. 19.
Die extremste Aufsicht der das Geschehen vertikal von oben filmt, vgl. Ebda, S. 20.
Frizen, Werner und Spancken, Marilies: Patrick Süskind: Das Parfum, 2.überarb. und korrigierte Aufl., München: Oldenburg, 1998, S. 87. In der Folge zitiert als: Frizen; Spancken, Patrick Süskind.
Ebda, S. 87.
Ebda.
DP, S. 66.
Frizen; Spancken, Patrick Süskind, 91.
DP, S. 173.
Ebda, S. 175.
Ebda, S. 176.
Ebda, S. 178.
Ebda, S. 179.
Ebda.
Ebda, S. 183.
Ebda, S. 185.
Ebda, S. 192.
Ebda, S. 193.
Ebda, S. 311.
Ebda, S. 313.
Ebda, S. 314.
Ebda, S, 317.
Ebda, S. 321.
Ebda, S. 322.
Frizen; Spancken, Patrick Süskind, 9.
DP, S. 192.
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